12 Jahre ist es jetzt her, seitdem
ich im zarten Alter von 37 Jahren den Tennis - gegen den
Tischtennisschläger vertauscht habe. (Siehe "Erfahrungen
eines Umsteigers"!) Das hat immerhin bewirkt, daß mein
Handgelenk immer noch einsatzfähig ist, obwohl ich
zwischenzeitlich einen geordneten Punktspielbetrieb aufgenommen
habe. Ursprünglich wollte ich mir den Streß ja nicht schon
wieder antun, aber die Mannschaften mußten aufgefüllt werden.
Außerdem brauchen auch Sportkanonen ab und an Futter!
Am Anfang stand ein für alle offenes Turnier im Dreifach - KO -
System, das mir drei rasche Spiele ermöglichte. Ich kann mich
nur noch erinnern, daß eine hoffnungsgeschwängerte Sprössin
der weithin im Tischtenniskreis (mit Ausnahme zweier
Nachbarorte!) gefürchteten weiblichen Vereinsjugend dem Spiel
gegen mich verzweifelt nach einem Blatt Papier suchte, um sich
ihren klaren Sieg zu notieren. ("Tischtennisspieler als
Statistikneurotiker" wär ohnehin ein ergiebiges Thema für
eine Doktorarbeit!) Sie fand auf die Schnelle nur ein fast
ungebrauchtes Tempotaschentuch. Ich nehme an, das hat sie zuhause
dann abgeheftet. Bald folgten die Vereinsmeisterschaften. Von den
ca. 11 erwachsenen männlichen Mitgliedern bildeten mit mir 6
weitere, ergänztvon 3 der ca. 50 männlichen Jugendlichen das
Teilnehmerfeld. Diesmal spielte jeder gegen jeden. Ich verlor
alles, erhielt für den "10.Sieger" einen gelben Zettel
als Urkunde und fand mich erstmalig in der Vereinszeitung - in
der Sparte Tischtennis als letzter mit 0:9 Spielen und 1:18
Sätzen. So eine gute Plazierung sollte ich bis zum heutigen Tag
nicht mehr erreichen! Immerhin
gelang es mir, der Nummer 28 der Jungenrangliste einen Satz
abzunehmen, was mir in der folgenden Saison eine Nominierung als
Ersatzspieler der neugegründeten zweiten Mannschaft einbrachte.
Die drei Punktspiele, in denen ich daraufhin zum Einsatz kam,
waren für mich,den tischtennistaktisch und -technisch
Einäugigen, schon wesentlich interessanter: War ich mir früher
als GOGGO im Rennen gegen MASTURBATIS vorgekommen, rang ich jetzt
in zähem Kampf gegen meinesgleichen um jeden Zentimeter,
kopfschüttelnd und ungeduldig begleitet vom Rest des mit den
Hufen scharrenden Teams. Dreimal dürfen Sie raten, wer im
letzten Spiel den entscheidenden Punkt zum Aufstieg geholt
hat...? Ich war der König für einen Tag und durfte die
Mannschaft auch flüssigkeit(un)mäßig auffüllen. Leider war
das das vorläufige AUS für mich, denn er Aufstieg lockte neue
Spieler und Jugendliche an und mir blieben gerademal meine drei
Stammgegner.
Immerhin hatte ich auch da ein Highlight zu verzeichnen! Ich nahm
als Jüngstvierziger erstmals an den Kreismeisterschaften der
Senioren teil - als Urkundenschreiber! Einer inneren Eingebung
folgend hatte ich allerdings meine Sporttasche mitgenommen, und
prompt fehlte ein Spieler für ein komplettes Feld. Als ein bei
so guten und miteinander eingespielten Cracks total Unbekannter
wurde ich in meinem ersten Gruppenspiel total falsch
eingeschätzt. Mit 21:19, 8:21 und 22:20 war der Sieg der meine
und ich eine Runde weiter! Daran konnte auch die klaren Schlappen
im Folgespiel und in der Zwischenrunde nichts mehr ändern! Da
ich zudem wegen der Urkundenschreiberei bis zum Schluß ausharren
mußte, blieb meinem unverblendeten Auge ein Phänomen nicht
verborgen, das gerade in Seniorenkreisen anzutreffen ist - quasi
als Triumph des Geistes über den Körper: Ohne ist nicht mehr
erlaubt und mit einem normalen kommt keine Stimmung auf , also
greift man zum besonderen Gummi - mit LANGEN AUSSENNOPPEN! Damit
kann man den dynamisch offensiven Partner mit sparsamen
Bewegungen offenbar zum Äußersten reizen! Also nix wie ran an
solche Dinger! Ein halbes Jahr lang kämpfte ich verbissen gegen
meine eigene Waffe um die Sehkraft meines sportlichen
Zyklopenauges, bis ich schließlich merkte, daß es mir sogar auf
die Größe eines Tischtennisballs angewachsen war! Es muß
besonders fürchterlich aussehen, wenn im Zustand höchster
Entschlossenheit nur noch das Weiße darin zu sehen ist und
schlimmstenfalls drei Sterne herausblitzen, aber seitdem und
womöglich gerade deswegen gewinne ich immer mehr Matches!
Das erste Opfer war einer unserer schlagtechnisch perfekt
normierten Jugendlichen, der sich beim Erwachsenen - Training
unvorsichtigerweise zu lange untätig in meinem Einzugsbereich
aufgehalten hatte. Das Selbstwertgefühl der in Vor-, Zwischen -,
End- Kreis-, Bezirks- und Sonstwie-Ranglisten auf Sieg
programmierten Begabung tat ihr übriges: Unter reger Anteilnahme
der vergeblich Trost zu spenden versuchenden Betreuer war in der
Mitte des ersten Satzes urplötzlich Schluß mit
"Lustig"! Die Ballwechsel dauerten von nun an entweder
überhaupt nicht oder bis ungefähr 25:24 und mauserten sich zur
reinen Nervensache. Dazu kam die Verblüffung über einen
speziell von mir entwickelten absolut sicheren und tödlichen
Schmetterschlag ("überkopf" wie aus dem Tennislehrbuch
von Obelix Braasch - Bahrami) mit den langen Noppen auf alles,
was mindestens noch 50 cm hochspringt und ein aufmunterndes
kräftiges "Jaaaaa! - Tschuldigung!" von ganz unten
herauf, wenn mein Gegenüber wieder eine seiner zahlreichen
Vorhände über die Platte hinweggesemmelt , oder meine
inzwischen von mir selbst beargwöhnten mentalen Fähigkeiten das
Zelluloid messerscharf mit einem "Tut mir leid, da muß er
hin!"auf Tisch- oder Netzkante gezirkelt hatte. Der Weg
wurde zum Ziel , der Ausgang schnell zur Nebensache: " ..
müßte verboten werden .." , " ...doch nicht gegen
DEN... ", konnte ich aufschnappen, wobei ich bis heute nicht
weiß, ob das mir, dem Schläger oder beiden galt. Zwar konnten
die im weiten Umkreis (bis auf zwei Nachbarorte!) gefürchteten
Betreuer ihre Zöglinge zusehends besser auf mich einstellen,
doch durch den Erwerb eines zweiten Noppenschlägers mit
umgekehrter Farbfolge sorgte ich für erneute Verunsicherung.
Immer wieder welkte eine der Blüten des Vereins in der
schmucklosen Vase des Underdogs! Leistung ohne Punkte ist
ungewöhnlich in einem Sportverein, der in jedem Jahr aufs neue
TT - Kreisdalmatiner werden, d.h.die meisten Punkte nach einer
ausgeklügelten typischen TT-Statistik erringen möchte. Und ich
machte sogar Punkte "ohne Leistung"! Wir sind hier doch
nicht in der Schule! Jedenfalls verschaffte mir auch das keine
Gummipunkte.
Die Förderungswilligkeit des Vereins verhalf mir dann doch noch
zum Einsatz in einer Mannschaft - sogar als Mannschaftsführer!
Einige Jugendliche brauchten einen Fahrer und Bürokraten für
ein drittes Herrenteam in der zweiten Kreisklasse, und außerdem
konnten meine stetig anwachsenden Destruktivkräfte prima gegen
unbedarfte Mannschaftsgegner eingesetzt werden. Das mit dem Büro
bedurfte einer gewissen Einarbeitung, doch nach relativ kurzer
Zeit konnte ich den Partnertausch nach dem Paarkreuzsystem mit
und ohne Modifikation durchblicken (Zu was hat man denn seine
Lebenserfahrung?), und sogar dem Schweißling - System gegenüber
hätte ich keine Berührungsängste gehabt. Die schwierigste
Aufgabe für mich bestand darin, den jeweiligen Spielort im
Dunkel der Winterabende herauszufinden Auf dem Land sind dann
Turnhallen und Boxenlaufställe nicht so leicht
auseinanderzuhalten. (Apropos Boxenlaufstall: In dieser
ländlichen Gegend soll auch mitunter aufgeschäumtes
Bullensperma zum Schlägertuning verwendet werden - wegen der
längeren Kontaktzeiten! Das befindet sich noch auf
keinerVerbotsliste und fällt vor dem Duschen kaum auf. ) Obwohl
unsere Heimspiele mittwochs angesetzt werden, gibt es wegen der
richtigen Champions-League nie Probleme. Hier ist es viel
spannender, geht es doch um die Ehre und nicht nur um Geld.
Außerdem kann man hier nicht mitten in der Serie den Verein
wechseln!
Einmal im Amt, immer im
Amt! Diese Vereinsweisheit schuf mir eine gewisse Position, der
ich nach zusätzlicher Übernahme der Kassenführung sogar die
Andeutung eines Mitspracherechts entringen konnte, das ich sogar
zu einem Konzept ausbaute. Wobei eins wohl klar ist: Ein
Funktionär mit Konzept ist genauso suspekt wie ein
Tischtennisspieler mit langen Noppen! Die erste Neuerung war eine
klammheimliche Ausweitung der Mannschaftsstatistik ( ,die mich im
übrigen momentan als Mannschaftsdalmatiner ausweist). Es fing an
aufzufallen, als ich mich gegen die drohende Auflösung der
dritten Mannschaft mitten in der Saison wehrte. RESERVE HAT RUH -
zu bewahren! Folglich hab ich nichts gesagt, sondern einen
halboffenen Brief geschrieben. Das war ungewöhnlich genug, um
einfache Umstrukturierungen anzuregen, die letztlich dazu
führten, daß die dritte Mannschaft erhalten blieb und mit 30:2
Punkten Meister wurde. Doch von Ruhe keine Spur! Mit dem Aufstieg
kam wieder diese NEUE ATTRAKTIVITÄT für andere Spieler. Ich
nehme an, Sie verdrängen, was ich meine? Ihren Ansprüchen auf
einen Stammplatz an der Spitze setzte ich das Konzept ERSATZ VON
OBEN entgegen. Wieder ein Aufschrei der Befremdung! Im Endeffekt
dürfen mit Ausnahme eines vorzeitig Resignierenden letztlich
doch noch alle die sauren Früchte ihres Aufstiegs selbst
genießen. Neulich gabs im siebten Spiel sogar das erste
Unentschieden! Es kullert sich also ...
Persönlich werde ich demnächst Abschied nehmen - von meinen
neuesten langen Noppen. Denen muß wohl ein Zufallsgenerator
eingebaut worden sein? Ich werde mich doch nicht mit meinen
eigenen Noppen foppen? Außerdem wird diese Sorte im nächsten
Jahr verboten. Doch neue Lösungen werden nicht ausbleiben. Man
munkelt, daß im männlichen Seniorenbereich demnächst hellblaue
Gummis erlaubt sein werden. Wegen dem erhöhten Stehvermögen,
besonders bei langen Noppen! Das werde ich brauchen, stehen doch
neuerdings beim Training ab und an Jugendliche auf der Matte und
wollen gegen mich spielen..
Alle Rechte vorbehalten: Johann Kowalczik
Auf die Beläge kommt es eben an: "Allround", "offensiv dynamisch" oder "kontrolliert defensiv" (Zeichnungen: Johann Kowalczik)
Weitere Erkenntnisse:
Erfahrungen eines Umsteigers (1988)
6 Gründe, Tischtennis zu spielen – und das auch noch in einer Mannschaft! (2005)
Hans im Glück oder Wie man Scheiße als Dünger erkennt. (2012)
Vom Abseits im Tischtennis (2020 ff.)Es gibt mir sehr gut bekannte ehemalige Jugendtrainer, die diesen Artikel höchstwahrscheinlich als böse Satire empfinden, obwohl er nicht nur für ihren Sportbereich , sondern für alle Lebensbereiche zutrifft.