Hans im Glück oder Wie
man Scheiße als Dünger erkennt. (2012)
Ich gebe zu, dass ich mich bei
flüchtiger Betrachtung in meinem Tischtennisdasein seit nunmehr
5 Jahren ganz schön in die Scheiße geritten habe. Mir dünkt
jedoch, dass ich dadurch im Moment bestens für eine glückliche
Zukunft präpariert bin. Aber gemach gemach - der Reihe nach:
Es begann vor 5 Jahren damit, dass ich mich als Kassenwart per
Aushang am schwarzen Brett von dem tadelnden Ton der Jugendwartin
distanzierte. Den hatte sie ebenfalls dort gegenüber den
Erwachsenen angeschlagen, die bei den am Rande der
Weihnachtsferien stattfindenden Vereinsmeisterschaften offenbar
anderweitig beschäftigt waren. Nun ist zu bedenken, dass der
Verein sich aufgliederte in die Gruppe des langjahrzehntig
dominierenden Familienclans mitsamt seines
Leistungsmusterkinderzirkusses und den popeligen zehnprozentigen
Rest der popeligen Auto- oder Anderswodidakten. Mehr dazu habe
ich in dem Aufsatz "Bekenntnisse eines Spielverderbers"
bereits dargestellt. Ich fühlte mich nicht nur wie ein
Schuljunge abgekanzelt, sondern fand es in einem meiner
periodisch aufkeimenden Anflüge von Zivilcourage auch höchste
Zeit, als "Seniorenbeauftragter" die Interessen der
schweigenden Minderheit zu vertreten. Als dann noch über den
Kopf der offenbar in Zahlungsschwierigkeiten steckenden Mutter
hinweg der Mitgliedsbeitrag für ein Kind von der Abteilung
übernommen werden sollte, empfand ich das vorstandsintern als
diskriminierend. Das mobbilisierte vollends die Herrscherfamilie,
und es folgte ein längeres Hin und Her, in dem schließlich
sogar meine Kassenführung angezweifelt wurde. Das hatte zwar
ebenso Tradition wie keinen Erfolg , aber nach zehn Jahren
Herumjonglierens mit Beitrags-, Spesen- und
Fahrtkostenabrechnungen hatte ich dann die Faxen dicke und
verließ den Verein.
"Schöne Scheiße!" werden Sie denken, aber
weit gefehlt: Die Mannschaft, zu deren Aufstieg in die
Kreisliga ich auch als Mannschaftsführer gerade noch beitragen
konnte, bescherte mir einen überaus bewegenden Abschied, und der
zum Glück jugendfreie Nachbarverein fing mich vormals
Anstandslosen anstandslos auf. Als achter Aktiver war ich
plötzlich - wenn auch nur als Ersatzspieler - 3 Klassen höher
gelandet. Na, wenn das kein glückhafter Aufstieg ist!?
Zum Problem wurde, dass ein Spieler eine
Halbsaison ausfiel, sodass ich etliche Male Noppen bei die Tische
tun musste. Im Doppel war das sogar manchmal erfolgreich, aber
sämtliche Einzel gingen - einmal sogar erst in der Verlängerung
des fünften Satzes- verloren. Das heißt, das letzte Einzel
dieser Periode gewann ich, aber es zählte leider nicht mehr,
weil danach der vor mir Spielende noch den Siegpunkt erkämpfte.
"Schöne Scheiße!" werden Sie denken, aber
weit gefehlt: Ich raffte mich auf und setzte alles
daran, eine zweite Ü35 - Mannschaft zusammenzutrommeln. Nach
einem Jahr gelang es dann auch - mit mir als Spitzenspieler in
der untersten Spielklasse. Obwohl ich zuvor privat in anderen
Umständen weilte und dadurch nahezu 20 Kilo abnahm, baute ich
mich damit wieder gut auf, zumal auch hier die Kameradschaft
stimmte. Dazu kamen noch etliche Erfolge gegen weitaus
höherklassige Gegner in der Seniorenrunde aufgrund einer für
mich sehr günstigen Vorgaberegelung. Die führten mich sogar bis
in die Viererendrunde auf Kreisebene. Da ich mich in weiser
Voraussicht auch vor dem Verwalten des Mannschaftsaktenordners
drücken durfte, erwartete mich eine glückliche Zukunft, die
gleich die Staffelmeisterschaft nebst Aufstieg einbrachte.
Zum Problem wurde, dass ich mich noch weiter
verbessern wollte und mir darob eine Woche Tischtennislehrgang in
Europas größter TT- Schule in Grenzau sowie einen neuen
Noppenbelag gönnte. Wetter, Unterkunft und Verpflegung waren im
Hotel Zugbrücke spitzenmäßig. Das Training war es auch, aber
leider nicht für Noppenspieler. So kam ich mit den Grundlagen
des klassischen Angriffsspiels in Berührung. Das bedeutete, dass
ich die meisten Bälle durchaus berühren konnte, lange
Ballwechsel sich aber doch nur sehr allmählich einstellten.
Richtig unangenehm wurde es aber erst nachher, als ich das
Gelernte im Wettkampf anwenden wollte und mich dadurch so
verunsicherte, dass meine Bilanzen kontinuierlich schlechter
wurden.
"Schöne Scheiße!" werden Sie denken, aber
weit gefehlt: Ich wurde kreativ und setzte nun voll auf
lange Noppen, indem ich mir eingedenk meiner Tenniskarriere ein
Noppengriffband aus Kautschuk zulegte. Das sorgt für eine
kontinuierliche Massage der Handreflexzonen und hilft ungemein
beim Drehen des Schlägers während der Ballwechsel. So trug
wenigstens meine Doppelbilanz mitentscheidend zum zweiten
Aufstieg bei, der mich wieder mit vielen vetrauten Gegnern aus
grauer Vorzeit an der Platte vereinte. Selbst eine an sich
beschissene 1:13 Bilanz in der zweiten Halbserie des vierten
Jahres konnte mich nicht umwerfen, konterte ich doch in der neuen
Halbserie nahezu grandios mit 11:4. Zum Glück hatte es in 4
Jahren keine nennenswerte Fluktuation innerhalb in der Mannschaft
gegeben, was für mich eine gewisse Sicherheit garantierte.
Positiv vermerkte ich auch die Einführung der quotientenfreien
TTR-Werte zur Aufstellung der Mannschaften. Von nun an war es
eigentlich belanglos, an welcher Position in welcher Klasse man
spielt. Es kommt nur darauf an, wie viele Punkte der jeweilige
Gegner vor dem Spiel hat. Außerdem werden die Aufstellungsregeln
für die Mannschaften dadurch transparenter. Im Dezember
resultierte folglich ein Glücksgefühl wie zu Weihnachten, das
im letzten Einzel der Hinserie durch eine 11:9 -Niederlage im 5.
Satz nach 2:0 - Satzführung nur unwesentlich getrübt werden
konnte.
Zum Problem wurde, dass ich mir bei
MyTischtennis.de einen Premium- Zugang zulegte, der mir genau
diesen Punktestand tagesaktuell anzeigt, während der
Normalnutzer nur Quartalswerte zu sehen bekommt. Erschwerend
kommt hinzu, dass ich mich als studierter Mathematiker mit
Wahrscheinlichkeiten und logarithmischen Formeln auskenne und
deshalb vorher ausrechnen kann, was mich nachher erwartet. Freute
ich mich früher, wenn mir ein schwacher Ersatzspieler zu einer
besseren Bilanz verhalf, ist mir eine solche Begegnung jetzt eher
unangenehm. Bei einer immer irgendwie möglichen Niederlage
drohen dann nämlich maximale Minuspunkte. Ich versuche zwar,
vorher nicht in die TTR- Liste zu schauen, aber das gelingt noch
nicht oft genug. Wenn dann beim Stand von 8:8 aufwärts im
fünften Satz auch noch 16 TTR- Punkte im Kopf herumspuken,
trägt das nicht zur Konzentration bei. Wenn das dann auch noch
in einer Woche nach 2:0-Satzführung dreimal hintereinander mit
negativem Ausgang geschieht und dabei noch mit ein und demselben
Gegner wie kurz vor Weihnachten ... wobei wir just mitten in der
Gegenwart angelangt wären... Zu allem Überfluß ist es in
meiner Truppe zur Routine geworden, dass der Mannschaftsführer
nach einer Halbserie wegen Erfolglosigkeit die Mannschaft nach
unten verlassen muss. Raten Sie mal, wer es doch wieder geworden
ist! Meine für die Umstellung im Sommer nicht mehr relevante
Bilanz ist 4:10, der relevante TTR - Wert unterirdisch.
"Schöne Scheiße!" werden Sie denken, aber
weit gefehlt: Zum Erreichen des Klassenziels konnte ich
wie gewohnt im Doppel beitragen, und in der nächsten Halbserie
werde ich eine Mannschaft und drei Klassen tiefer aufschlagen.
Tiefer geht es nicht mehr - das bürgt für Bodenhaftung und
Schwindelfreiheit und eröffnet mir die Chance auf ein
zukunftsträchtiges Ehrenamt: Demnächst werde ich Altenpflege
betreiben. Der erste abteilungsfremde Altherrensportler ist auf
meine Ankündigung hin bereits beim Training erschienen. Wie Sie
hier lesen können, ist das Glücksgefühl zwar nicht gerade
unbeschreiblich, aber immerhin am Keimen. Und große
Glückssprünge? Die werden in meinem Alter von den Knochen eh
nicht wirklich geschätzt. Die Glückswürfel sind ohnehin
gefallen - als es beim vereinsinternen Knobeln um die Wurst ging,
habe ich in zwei Jahren hintereinander die Höchstpunktzahl
erreicht ! (Und natürlich im Stechen um den ersten Platz
verloren., aber das gehört nun wirklich nicht mehr hier her.)
Alle Rechte vorbehalten: Johann Kowalczik
Die Vorgeschichte:
Erfahrungen eines Umsteigers (1988)
Bekenntnisse eines Spielverderbers (1998)
6 Gründe, Tischtennis zu spielen – und das auch noch in einer Mannschaft! (2005)
Vom Abseits im Tischtennis (2020 ff.)Es gibt mir sehr gut bekannte ehemalige Jugendtrainer, die diesen Artikel höchstwahrscheinlich als böse Satire empfinden, obwohl er nicht nur für ihren Sportbereich , sondern für alle Lebensbereiche zutrifft.