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Vom Abseits beim Tischtennis

20.7.2020

Ein Freitag, der 13. (3. 2020) hat meine Beziehung zum Tischtennis grundlegend verändert: An diesem Tag hat das Coronalangnoppenvirus im Einklang mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Desaster den Spiel- und Trainingsbetrieb lahmgelegt. Als sei das nicht genug, fand ich mich allein auf Grund meines Jahrgangs (1949) in einer Risikogruppe wieder, für die als angemessener Aufenthaltsort "für den Selbstschutz" eine Art Zoounterbringung angedacht wurde.

Eine Weiterführung der von mir seit 2012 auf einem Nachhaltigkeitsprinzip aufgebauten "TT- Homeschool" * war ab sofort nicht mehr möglich. Das folgt nicht etwa daraus, dass der Tischtennisverband den Kontakt von Risikanten mit Kindern im Rahmen seiner ohnehin nicht realisierbaren Hygiene- und Abstandsempfehlungen ausschloss. Nachdem eine Schülergeneration das Projekt alters- und interessemäßig verlassen hatte, hatte sich gerade ein Neuanfang abgezeichnet, und da sah ich es als Ehrenamtlicher nicht als meine Aufgabe an, Kindern im Grundschulalter durch das Durchsetzen der geforderten strengen Reglementierungen die Lust am Spiel zu nehmen.

Was meinen Einsatz in den Seniorenmannschaften betrifft, wurde der zwar auch so immer weniger, weil ich bei Auswärtsfahrten gesundheitliche Probleme bekam, aber ein Totalverzicht oder gar eine Trainingsabstinenz stand nie zur Debatte. Zudem gewinnt mit zunehmendem Alter das Aprés- Tischtennis an Bedeutung, das durch die oben angesprochenen Empfehlungen schlichtweg ebenso gecancelt wird wie jegliche private Kommunikation zwischen und neben den Tischen. Tischtennis ist eben doch ein Kontaktsportart, auch wenn es den Dränglern nicht in das Hygienekonzept passt.

Dieses ist zwar notwendig, aber in den meisten Vereinen  unrealisierbar. Wer stellt sich zum Beispiel als Hygienebeauftragter zur Verfügung, der Training und Spiel verantwortlich organisieren, protokollieren und beaufsichtigen soll? Das funktioniert in einer kleinen Gemeinde mangels ernsthafter Kontrollen durch die Behörden schon seit Urzeiten beim Alkohol- und Rauchverbot in der Halle nicht und schafft nur Aggressionen untereinander. In unserem Fall dürfte es mindestens die Hälfte der Aktiven abschrecken. Einem anderen Teil dürfte das Abstandsgebot und die damit verbundene moderierte Verabredungspraxis zu lästig sein, die in Verbindung mit dem Verzicht auf Doppel und Zuschauer bewirkt, dass Tischtennis nicht mehr als Mannschaftssport angesehen werden kann. Die Punktspiele verlören ihren Sinn , und das Transportproblem wäre gelöst, denn zu Einzelmeisterschaften und Turnieren kann jeder selbst fahren.

Andererseits scharren bundesweit die TT-Junkies mit den Hufen, die als Versuchskaninchen während der ersten von der Politik im Wahlkampf übereilten allgemeinen Lockerungen "ums Verrecken"  wieder loslegen müssen und damit als entweder kindlich Unbedarfte oder Teilgruppe von Coronaleugnern um die nächsten Einschränkungen betteln. Es hat den Anschein, als ob man mit weniger als 1600 TTR- Punkten oder mehr als 30 Lenzen den Laden nur behindert, und alle darauf warten, dass neben dem Führerschein auch der Tischtennisschläger abgegeben wird. Ich könnte mich zwar damit abfinden, bis zu einem Jahr zuzuwarten um durch konsequentem Verzicht anschließend eine nachhaltige Wirkung zu ermöglichen, aber ich sehe keine Chance dafür im Zuge der allgemeinen Entwicklung, bei der eine permanent wahlkämpfende und dabei von der Hand in den Mund lebende Politik im Wachstumswahn jegliche Verantwortung auf untergeordnete Institutionen bis hin zum einzelnen Bürger abwälzt, der fehlende Kontrollen und Vetternwirtschaft gewohnt ist. Für kommerzielle TT-Studios und TT- Akademien ergibt sich eine gute Chance, aber für Tischtennis im Vereinsrahmen, das ohnehin schon ein Nachwuchsproblem hat und von Kontakten rund um die Tische lebt, bedeutet das das weitere Abbröckeln der Basis. Für die Ungeduldigen bedeutet die schnelle Freigabe der Hallen einen Schritt nach vorn, der mich und meine Altersgenossen ins Abseits stellt.

 

5.1.2021
Jetzt bin nicht ich mehr im Abseits, sondern der Amateur-Hallensport insgesamt. Ein Trost ist das nicht. Die neue Saison startete im August und ermöglichte erste Punktspiele unter Bedingungen, deren Einhaltung und damit eine Trainingsbeteiligung ich vorsichtshalber nicht in Erwägung zog. Mitte Oktober war aber endgültig vorzeitig Feierabend, und ein Ende der Nacht ist nicht abzusehen.

17.1.2022

Ein neuer Anlauf zu einem geregelten Spielbetrieb wurde zur neuen Saison im September genommen. Zwei Anfragen zum Aushelfen bei einem Punktspiel habe ich nicht nur ausgeschlagen, weil ich am Training nicht teilnehme, und Anfang November war ohnehin wieder Feierabend mit Wettkämpfen. Ich bleibe auch geboostert abstinent und habe mich soweit wie möglich in der Rangliste zurücksetzen lassen. Jetzt bin ich auch offiziell ein Reservespieler in der untersten Mannschaft, der auch im Notfal dem von ihm herangezogenen Nachwuchs den Vortrittlassen wird.





*Im Bewusstsein, dass im Jugendalter Leistungen in erster Linie in der Schule erbracht werden sollten, werden in der "TT- Homeschool" keine ferngelenkten Funktionshosen produziert (das heißt: vordergründig keine Roboterisierungder Bewegungsabläufe und keine Jagd auf leistungsheischende Punkte und Pokale angestrebt), sondern die individuelle Förderung der Spielfreude jedes einzelnen Jugendlichen angeregt. Außerdem steht das Befolgen von Spielregeln auf dem Plan, die sowohl in Bezug auf die technischen und organisatorischen Vorgaben der Sportart, als auch im ganz besonders anzustrebenden Maße auf einen fairen. respektvollen Umgang miteinander ohne Tränen, Gezeter und Gemäkel von außen gelten. In gewissem Maße kann die Ausbildung als nachhaltig aufgefasst werden, da nicht Timobolliden dasZiel sind, sondern Menschen, die auch dann wieder gern zum Schläger greifen, wenn sie im Mittelalter einen relativ knochenschonenden körperlichen Ausgleich brauchen. Genau, wie beim Fußball die effektivste Verteidigung bereits im Sturm beginnt, hat hier die Altenpflegevorsorge ihren Anfang. Insofern wird auch dem Notstand Rechnung getragen, dass Sportvereine mit herkömmlichleistungsbezogenen Konzepten immer mehr Interessenten an private und kommerzielle Sportangebote verlieren.

Johann Kowalczik, 23.5.2020

Das Vorspiel:

Erfahrungen eines Umsteigers (1988)

Bekenntnisse eines Spielverderbers (1998)

6 Gründe, Tischtennis zu spielen – und das auch noch in einer Mannschaft! (2005)

Hans im Glück oder Wie man Scheiße als Dünger erkennt.(2012)

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