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Die NATTERNBUSCHER ÄNDERUNGSDENKEREI
präsentiert:

Alles nur Märchen und Fabeln -

aber wenigstens selbst gedichtete!

Quercus

Es war einmal ein Bettpfosten namens Quercus. Das war aber kein gewöhnlicher Bettpfosten, sondern ein schon ganz furchtbar alter mit allen Wachsen gewachster Bettpfosten. Als massiver runder Eichenständer mit breiten Holzpuschen und einem abgedrehten dicken Kugelkopf obendrauf war er eine imposante Erscheinung und nach mehreren Umzügen trotz leicht gelockerter Scharniere immer noch eine stabile Stütze des Bettes. Dies widerum war in der hintersten Ecke eines kleinen Pensionszimmers gelandet, wie es sie heute noch in mittelalterlichen Kreisstädten preiswert  zu mieten gibt. Sein Privileg bestand darin, als einziger frei im Raum zu stehen und somit bisher ohne größere Schrammen davon gekommen zu sein.
Quercus hatte im Laufe von etlichen überaus spannenden und von stetem Auf und Ab bestimmten Jahrzehnten  in vielen verschiedenen Gemächern fast alles miterlebt, was es zu Miterleben ging und wusste deshalb über so gut wie alles Bescheid, dessen es Bescheid zu wissen nicht unbedingt von Nachteil sein dürfte. Er lernte allerlei Sorten von Menschen kennen – vom einfachen Urlauber und Handwerker auf Montage bis zu all den  –pathen, -philen, -sophen  und –logen, die zu irgendwelchen Kongressen im Ort weilten. Manch zarte Dessous umbaumelten, von manch strammem Wind gebeutelt , seinen Eichenknubbel,  und wenn einer tiefe menschliche Einblicke in ebensolche Abgründe für sich beanspruchte, war es unser Bettpfosten. War es da ein Wunder, dass er innerlich zu metamorphieren begann, dass sich in ihm eine regelrechte Kontaktfreude zu den Menschen aufbaute? Geduldig wartete er also jede Nacht auf  die Chancen, die sich ihm boten, wenn des Bettnässens überdrüssigen Bettnutzer menschliche Regungen verspürten und dabei den schlafraubenden Lichtschein scheuten..
Da er ein Fußendpfosten war, kannte er sich besonders mit Füßen und Oberschenkeln aus. Auf erstere - zumal ungewaschen -  reagierte er zwar meist betreten patiniert, aber Oberschenkel übten auf ihn einen eichenartigen Reiz aus, über dessen Herkunft er zu Rätseln aufgegeben hatte. Soviel stand jedenfalls fest: Er erweckte regelmäßig in ihm Erinnerungen an die Zeit, als er noch nicht vermöbelt worden und  ihm selbst noch das ein oder andere Zweiglein aus dem Stamm gesprossen war. Quercus verspürte darob eine ausnehmend tiefe Neigung besonders zu den pralleren Schenkeln, die darin gipfelte, dass er so manchem bei dessen nächtlichem Vorüberhuschen querab einen heftigen Kuss verpasste. Das war nicht sonderlich ungewöhnlich, zumal sein Eichenknubbel sich nach halbwegs aufregenden Gutenachtgeschichten offenbar auszudehnen schien -

der Naturwissenschaftler würde dies vermutlich auf einen sich bei solchen solchen Gelegenheiten stetig erhöhenden Feuchtigkeitsgehalt der Luft des Schlafgemachs zurückführen. Bei Füßen hingegen lebte er eher seine niederen Instinkte aus, indem er sich ihnen, wenn sie ihm gar zu quer kamen,  schlicht und ergreifend in den Weg stellte und somit gerne einmal Fünf gar krumm sein lassen konnte. Die aus den Schenkel- und Fußkontakten  resultierenden äußerst schmerzhaften Effekte unterschieden sich aber nur unwesentlich. Sie addierten sich bisweilen sogar, wenn ein unversehens Geküsster daraufhin im Affekt seine Zehen krümmte. Quercus war nicht unwohl dabei. Im Gegenteil - er bildete sich ein, dass er damit so etwas wie eine enorm günstige  makropunkturelle Wirkung auslöste.
Unser keineswegs unintelligenter Bettpfosten wusste aber um die Risiken seines Tuns sehr wohl. Deshalb tat ihm dieses immer sofort pflichtschuldigst leid, weshalb jeder Kontaktierte bei ihm drei Verwünschungen frei hatte. Solchselbiges war an und für sich eine ganz tolle, weil im Allgemeinen ungemein befreiende Sache, wenn sie nicht doch einen klitzeklitzekleinen Haken gehabt hätte: Der Bettpfosten war nämlich ob des lauten Knarrens und Schnarchen und mancher spitzer Schreie - auch der Holzwurm tickte nicht mehr so richtig - etwas schwerhörig geworden. Dieses wiederum führte dazu, dass er so manch wüste Verwünschung gar nicht mehr so recht wahrnehmen konnte, was ihm gar traurig ankam, denn schließlich hatte er sich so dran gewöhnt, dass man es kaum einem Lignotherapeuten hätte verdenken können, hätte er in diesem Zusammenhang gar  von „lieb gewonnen“ gesprochen.
So wähnte sich der doch aus so hartem Holz Geschnitzte gar nicht mehr so recht wahrgenommen und begann eine Art Re-Metamorphose. Er sehnte sich ab und zu nach den goldenen Zeiten zurück, da noch richtig phantasievoll geflucht wurde – und vor allem auf Deutsch. „Jedsleggstmiamaasch“,  „Sooonescheeeiiiiiiissseabaaaaau“ oder „Sakradeifinoamol“ – das waren noch  wahrhaft heilende multivokale Klänge! „Sauknochen“ ließ er sich auch noch gefallen, und dass das schmerzdehnende Langzeit -“ie“ bei Schiet jetzt kurz und spitz geflucht wurde, konnte er ja gerade noch so nachvollziehen, aber was „fkkkkkkkkkk“ oder „grzuczjklyczg“ bedeuten sollte, würde ihm dann doch wohl ob seiner rasant schwindenden Hör- und Lernfähigkeit für immer verborgen bleiben. Als ihm dann eines Tages zu allem Überfluß von der an sich nicht ungewitzten Pensionswirtin in Sorge um ihre Gäste noch ein innen sorgsam auswattierter Klohut über den Kopf gezogen wurde, gab er es ob der engen Häkelmaschen und  des eingeschränkten Gesichtsfelds. endgültig auf, Kontakt zu den Menschen zu suchen und besann sich wieder auf  diejenigen, bei denen er sich ohnehin schon zeitlebens untergehakt hatte. Diese beschworen ihn zudem  ganz  eindringlich, dass er ursprünglich und immer noch  dringend als Stütze des gesamten Systems gebraucht würde. Das führte dazu, dass er sich fortan sogar dem Lattenrost widmete, den er vorher eher von oben herab wahr und nicht ganz ernst genommen hatte. Dabei bemerkte er, dass sie untereinander sogar stumm besser als erwartet miteinander umgehen konnten, und wenn er nicht verfeuert ist, dann steht er immer noch wacker seinen Pfosten.

 

 

 

Terry und die Möpse
Einst lebte mitten unter uns eine Frau namens Johanna, die nach etlichen negativen Erfahrungen mit Männern - den Vater eingeschlossen - absolut keinen Bock mehr hatte und sich deshalb allein durch das Leben zu wurschteln beabsichtigte. Weiß der Teufel, warum sie trotzdem in einem Sommer auf Mallorca landete. Nein nein, sie geriet nicht in die Fänge der beballerten Männer dort, aber es veränderte ihr weiteres Leben entscheidend, als sie bei einem ihrer einsamen Spaziergänge am Strand einen kleinen etwas angemagerten Hund antraf. Er schien zudem sehr jung und frauchenlos. Es war einerseits das Terrierhafte, das ihr imponierte, und andererseits gingen von ihm gewisse Signale aus, die sofort bewirkten, dass jenes Gefühl, das Frauen gern im Bauch zu haben pflegen, sie heftig davor warnte ihn ein zweites Mal anzuschauen geschweige denn ihn zu berühren. Das Schicksal schlug dennoch zu: Sie konnte sich seinem Bettelblick nicht entziehen, streichelte ihn und blieb an ihm kleben. Folgerichtig schmuggelte sie ihn nach Hause, wo sie ihn Terry nannte und aufpäppelte. Terry hatte es relativ gut, denn er bekam sein Fressen frisch zubereitet, Johanna ging mit ihm regelmäßig "Gassi", wozu sie ob der Kooperationsbereitschaft Terrys nicht einmal eine Leine brauchte, und geschlafen wurde ohnehin gemeinsam im Bett, wobei bisweilen nicht auszumachen war, wer wem zu Füßen lag. Die eine war eben auf den Hund gekommen und der andere auf den Menschen, was sich an und für sich über Menschenjahre und Hundejahrzehnte trefflich ergänzte. Die Außenstehenden erklärten ihre Beziehung gar zur Symbiose, wobei sie das je nach Neidpegel unterschiedlich gut fanden. Es gibt eben gewisse Zusammenstellungen, die man nicht nur ohne Prügel essen, sondern auch leben kann. Sie lebten vielleicht noch heute so, wenn Johanna nicht nach schlimmen Anfeindungen an ihrem Arbeitsplatz psychisch krank geworden wäre. Zwar bekam sie eine ausreichende Pension trotz ihrer noch sehr jungen Jahre, aber sie fühlte sich in der Umgebung unwohl und erwarb schließlich einen ausgedienten Leuchtturm weitab von allen Bekannten und Verwandten.

"Wieso gerade ein Leuchtturm?" wirst du fragen, aber das ist eigentlich leicht einzusehen, weil es eben nicht leicht einzusehen ist. Zudem empfand sie den gewonnenen Weitblick als Bereicherung ihres Lebens und überhaupt waren Leuchttürme damals günstig zu haben. Um aber den Kontakt mit den Mitmenschen nicht ganz zu verlieren und vor allem als Beschäftigungstherapie renovierte sie den Leuchtturm und errichtete darin über ihrer kleinen Turmwärterinnenwohnung ein kleines, aber sehr feines und teures Spezialitätenrestaurant. Auch ein Fahrstuhl wurde anstelle der der beschwerlichen Wendeltreppe eingebaut. Für Terry hatte das zur Folge, dass er auch schon mal allein Gassi gehen durfte. Allerdings musste er immer vorher Bescheid bellen, damit ihm sein Frauchen den Lift bedienen konnte, an den er sich zugegebenermaßen nur schwer gewöhnen konnte. Überhaupt war der Lift ein technisches Ungeheuer, das die meisten Gästehunde abschreckte. So kam es, dass höchstens Möpse und andere Kleinkaniden via Handtasche oder Busenkuhle den Weg ins Restaurant fanden. Gegen eine dennoch nicht auszubleiben drohende Langeweile brachte ihm seine sehr fürsorgliche menschliche Lebensgefährtin trotz einer enorm gewachsenen beruflichen Anspannung nebenbei einige terriergerechte Kunststücke bei. Mit denen und seiner aufgeschlossenen Art baute er sich nun im Laufe der Zeit ein Stammpublikum unter dem Personal auf, das sich von ihm angenehm unterhalten fühlte. Und dann gab es ja schließlich noch die ausgesprochen netten schwulen Küchenhilfen Max und Moritz, die immer für einen kleinen Knuddel bereit waren.

"Alles in Hundefutter!" könnte man jetzt feststellen, aber dem war nicht so. Da sich diesen Restaurantbesuch nur bestbetuchte Prommies ( Neider deuteten das als Abkürzung für "Promoted Dummies") leisten konnten, waren seinerzeit generell Möpse angesagt. Diese taten sehr eingebildet und fielen durch ihre sehr freie Art auf (, die von denselben Neidern als "Wohlstandsverwahrlosung" definiert worden wäre, zumal ihr gewöhnungsbedürftiges Aussehen nicht gerade dem herrschenden Schönheitsideal entsprach), die mitunter das Restaurant im Hundumdrehen auf den Kopf stellen konnte. Dieses imponierte irgendwie dem anfangs fassungslos zuschauenden Terry. Womöglich lag es daran, dass er enormen Nachholbedarf aus seiner Jugendzeit verspürte. Als nun nach und nach Max und Moritz unfall- und krankheitshalber als dringend benötigte zusätzliche Zuwender ausfielen, begann Terry, sich langsam den kleinen Teufeln auf ihren ebenso missbilligten wie stillfluchend geduldeten Streifzügen durch das Lokal zu nähern. Die konnten ihm zwar nicht den Wassernapf reichen, aber dafür heillos die Ohren mit ihren Lebensphilosophien aus der hautevolauteschen Käseglocke volllabern. Das klang an sich ja ganz interessant und verführerisch, wenn man sich irgendwann dann doch auf den üblen Slang eingestellt hatte. Für den normalen Hundgebrauch war es zwar soooowas von lebensfremd , aber was solls - Terry kam damit schließlich so gut zurecht, dass Johanna im Endeffekt ganz froh darüber war, dass er jetzt etwas Abwechslung gefunden hatte.

Terry begann aber auch kaum merkbar damit, aus dem Fenster in den Park am Fuße des Leuchtturmes zu gucken, in dem sich ob der geringen Kapazität an Tischen oft Möpse von geduldig warteten Prommies tummelten. Diese bemerkten ihn auch und forderten ihn auf, zum gemeinsamen Schnüffeln und Rumwetzen herunterzukommen. Als er ihnen beschied, sein Frauchen habe im Moment keine Zeit und er könne allein nicht an den Fahrstuhlknopf kommen, schlugen sie ihm vor zu springen. Das jedoch kam für ihn nicht in Frage, denn schließlich wollte er nicht auch so aussehen wie die Möpse. Aber in seinem Hinterkopf fing es an zu brodeln. Warum sollte er nicht fliegen können? Als er eines Tages davon sogar ziemlich realistisch träumte, war sein Entschluß gefasst: Er würde das Wunder vollbringen und sein Hundeleben damit von Grund auf verändern! Fortan befasste er sich mit Engelsgeduld nur noch mit Engeln und Möpsen und natürlich allen gängigen bewußtseinserweiternden Praktiken. Er studierte Mopsgesänge und kratzte mit der Pfote Mopsalas in den Sand.Was soll ich lange drumrumreden - es kam, wie es kommen musste: Ich weiß nicht, welcher Engel ihn da genau geritten hatte, aber nach geraumer Zeit sprang er dann doch, als er wieder einmal von den perfid(el)en Möpsen dazu aufgefordert wurde. Das heißt, er bildete sich dabei ein, auf einem Regenbogen zur Erde hinabzurutschen. Dabei landete er trotzdem kopfüber in der Realität und sah nicht nur aus wie ein Mops, sondern sprach auch so unverständlich, was bei der nun typischen Mopskieferstellung den Experten weiter nicht verwundert. Deshalb wurde er von Johanna schlicht und ergreifend nicht mehr erkannt, nachdem er irgendwie eine Rückfahrgelegenheit im Fahrstuhl ergattert hatte. Naja- und die Erschütterung hatte auch das ohnehin schon strapazierte Hirn nicht verschont. Also sprang er noch einmal vom Turm und ward fortan nicht mehr gesehen. Johanna wurde von vielen Seiten geraten, sich doch einen neuen Hund anzuschaffen, aber davon hatte sie, die inzwischen wenigstens das normale Frühpensionsalter erreicht hatte, ein für allemal die Schnauze voll. Stattdessen spendete sie aus reiner Dankbarkeit für die geleistete Gesellschaft regelmäßig die Hälfte ihres Einkommens an Tierhilfeorganisationen - falls Terry deren Hilfe benötigen sollte. Die Mehrheit derjenigen, die überhaupt davon erfuhren, hielten das für ziemlich Gaga, aber erstens war sie ja nicht ohne Grund pensioniert worden, und zweitens frage ich mal ganz gegen meine Angewohnheit suggestiv: Sind wir nicht alle irgendwie Gaga?

 

 

Die Fabel von Krebs und Steinbock

Es war zur Zeit der großen mitteleuropäischen Trockenheit, da die zusehends verdunstenden Flüsse und Bäche in den Alpen nur noch spärlich rinnsalten , als ein Krebs sein Dasein sowohl in der einzigen kleinen schattigen Pfütze weit und breit inmitten des Restgerölls eines Wildbaches als auch in der langsam schwindenden Hoffnung auf kommende Niederschläge fristete. Diese Pfütze diente auch einem Steinbock als willkommener Spiegel bei dessen Morgentoilette. Der Krebs war in Ermangelung eigener Reflektionsmöglichkeit über jede Gesellschaft erfreut und bewunderte außerdem den Steinbock ob seiner Vitalität und Anmut. Dem gab er auch allmorgendlich gebührend Ausdruck, woraufhin der Steinbock wiederum neuen Mut für sein beschwerliches Tagwerk schöpfte. Nebenbei bemerkt hatte der Krebs auch nicht zu verachtende Qualitäten als Hufpfleger aufzuweisen, die für manch willkommene Bescherung sorgten. Also baute sich zwischen beiden etwas auf, das man gut eine funktionierende Beziehung hätte nennen können.

Eines heißen Sommertages allerdings kam, was anscheinend in so einem Fall immer kommen muss: "Nimm es nicht persönlich, es ist auch für mich ein großer Verlust!", meinte der allmählich ausgedürstete Steinbock noch entschuldigend, als er in hastigen Zügen die Pfütze inhalierte, "Tschüss,viel Glück und vielleicht später wieder mal." Alsdann entfernte er sich offensichtlich erfrischt. "So hatte ich mir die Erfüllung meiner Hoffnung eigentlich nicht vorgestellt, aber es ist nun mal wie es ist.", sinnierte niedergeschlagen der Krebs. Andere hätten sich womöglich um eine Umschulung zum Skorpion bemüht, aber er zog sich zurück und wartete auf bessere Umstände ...

Moral : Durst ist schlimmer als alles vermeintlich Mögliche. Geht die Feuchtigkeit zur Neige, mach dich klein und zieh die Scheren ein, damit du wenig Reibung erzeugst und nicht so schnell verdunstest. Das muss nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein, aber es richtet wahrscheinlich den geringsten Schaden an.

 

Frosch im Glück
Es lebte einmal kurz hinterm Deich ein Frosch, der sich frei nach dem Motto "Sei kein Frosch!" außerordentlich fit hielt und deswegen von dem Studio seines Vertrauens als Anerkennung sogar schon den "Samson des Jahres"- ein goldenes Kettchen mit drei goldenen Locken- verliehen bekommen hatte, das fortan seine muskulöse Brust zierte. Darob war er ziemlich überzeugt, in jeder Lage schon irgendwie zurecht zu kommen. Doch der Frosch war wider Erwarten auch sehr belesen und hatte dabei eine große Vorliebe für Fabeln entwckelt. Somit nahm es nicht Wunder, dass er die Geschichte kannte, in der es einem seiner Artgenossen bereits gelungen war, sich aus einer Milchkanne zu befreien, indem er durch heftiges und ausdauerndens Strampeln die Milch zu Butter verarbeitete. Er amüsierte sich sogar in gewissem Grade drüber, denn welcher Frosch ist schon so blöd und begibt sich freiwillig in eine Milchkanne? Als er eines regnerischen Tages wieder einmal auf einen Sprung bei den benachbarten Quäkern im Hafen vorbeischauen wollte, trug es sich zu, dass er auf einem Blatt ausrutschte und vom Kai herab in einen Eimer fiel, dessen Inhalt ihm weiß und feucht entgegenschimmerte." Oh, jetzt ist erst einmal alles im Eimer, aber das ist kein Problem - ich bin ja fit und folglich ist bald alles wieder in Butter!" Er begann also zu strampeln und zu strampeln und zu strampeln. Es wunderte ihn zwar etwas, dass es ihm schwerer fiel als gedacht, aber er baute sich damit auf, dass die Milch wohl bereits so fett sei, dass die Verbutterung dann eben nicht so lange dauern würde. Komischerweise geschah aber nichts in dieser Richtung.
Im Gegenteil, die weiße Flüssigkeit wurde zwar sämiger, aber sie schmiegte sich wie ein zweite Haut um ihn und behinderte zunehmend seine Bewegungen. "Das ist dann wohl das Ende! Wie konnte ich nir so blöd sein." waren die letzten Gedanken, als ihm die Farbe, mit der der Aufbau eines Krabbenkutters verschönert werden sollte, bis zum Froschhals stand. Er wollte schon quaklos den Kopf hängen lassen, als sich eine gute Fee in Gestalt eines Fischers ( offenbar eine Transvestitin!) seiner erbarmte, ihn leicht angeekelt aus der sensenschwingenden Soße fingerte und sogleich im hohen Bogen über Bord warf. Das war schon ein Glück, denn dem Fischer seine Frau hätte den Frosch womöglich geknutscht und anschließend frustriert an die Kaimauer geklatscht. Aber da die Farbe wenigstens Öko und somit wasserlöslich war, durfte sich der Frosch ob seiner ansonsten ja guten Fitness sogar noch eine Chance auf einen glimpflichen Ausgang des Abenteuers ausrechnen. Die Fische im Hafenbecken unterstützten ihn nach Kräften, indem sie ihn an seinen Stolz appellierend lautstark anfeuerten, "ihnen doch seine Locken zu zeigen." Ob er ebendies noch geschafft hat oder das nach diesem traumatischen Erlebnis überhaupt noch wollte, ist nicht bekannt. Soweit ich weiß, ist er an jenem Vorfall nicht gestorben, aber er soll sich daraufhin - seines enormen Glücks bewußt - jedesmal genau überlegt haben, ob er noch einmal auf einen Sprung bei den Nachbarn vorbeischaut. Viel von ihm in der Öffentlichkeit gesehen hat man jedenfalls nicht, und schon garnicht im Buchladen.

Vom Förster und den Bedürfnissen

Es war einmal ein auf Sauberkeit und Hygiene bedachter Förster, den es ärgerte, dass die Tiere immer in den Wald kackten. Für die Hunde an der Leine ihrer Bezugsmenschen schaffte er Klobeutelautomaten und Mülleimer an. Anfangs war es zwar mühsam, die mehr oder weniger gefüllten Klobeutel aus dem Dickicht zu bergen, aber als er sie miteinem GPS-Chip versah, konnte es sich damit für ihn Wohlleben lassen. Die Wildtiere machten ihm desungeachtet jedoch große Probleme. Er errichtete nach langem Hinundherüberlegen mit großem Einsatz und handwerklichem Geschick eine dem Umfeld angepasste und dadurch für den gemeinen Waldläufer nahezu unsichtbare Bedürfnisanstalt für Tiere an einem zentralen Ort im Wald, die mit einem Zehnsitzer und einem großen Laubhaufen ausgestattet auch einen größeren Andrang bewältigen konnte. Zudem engagierte er einen Tierflüsterer, der ihnen den sinnvollen Gebrauch antrainieren konnte. Das gereichte allen viele Jahre zur Zufriedenheit, aber als wieder einmal ein schlimmer Virus die Runde machte, der den Bestand an geeigneten Kloblättern in kürzester Zeit schwinden ließ, bewog das manch übervorsichtigen Klobesucher dazu, sich einen privaten Vorrat davon abzuzweigen. Das ging sogar soweit, dass "Darf ich Dir meine Kloblattsammlung zeigen?" die Charts der Brunftsprüche stürmte. Wie es das Schicksal nun will, bemerkte der Waldhüter eines Tages, wie ein Häschen direkt vor dem Exkrementorium einen großen Köttelhaufen setzte. Das erboste ihn überaus, sodass er seine Flinte auf den Frevler richtete und ihm beschied, dass dessen letztes Stündlein geschlagen hätte. Immerhin interessierte ihn noch, warum das Häschen sich überhaupt eine solche Frechheit herausnähme.
 "Nie und nimmer würde ich da noch einmal hineingehen", jammerte der Delinquent. "Ich saß beim letzten Mal neben einem Bären, und als wir unser Geschäft beendet hatten, fragte er mich, ob ich fusselte. Als ich verneinte, packte er mich an den Ohren und zog mich durch seine Furche."

Was daraufhin mit dem Häschen geschah, ist nicht überliefert, aber wenn es nicht gestorben ist, dann köttelt es noch heute in den Wald, zumal im Laufe der Zeit die Laubbäume den Nadelbäumen weichen mussten und infolgedessen das Laub den pieksenden Zweigen, die auch vierlagig verwendet immer mehr Tiere davon abhielten, das Klohaus aufzusuchen.

Nun ergab es sich aber vor nicht allzu langer Zeit, dass die Menschen neue Bedürfnisse nach Entspannung und Besinnung im Einklang mit der bewaldeten Natur entwickelten. Schnell ward ein neuer Trend kreiert und mit der Marke "Waldbaden" versehen. (Waldbaden praktizierten zum Beispiel äußerst tüchtig die dicken Nichten des Försters, die im nickdichten Fichtendickicht nahezu jeden Baum umarmten, der bis DREI nicht umgestürzt war.) Da wundert es nicht, dass der Förster auf ein Zertifikat erpicht war, das sein Gehölz als "Therapeutisches Waldbad" legitimierten sollte. Wenn auch Fichtennadeln traditionsgemäß als Badezusatz nicht das Problem darstellten, standen doch größere Haufen von sämigem Naturdünger zwischen größeren Haufen von empfindsamen Naturjüngern dem Ansinnen entgegen. Ein eindringlicher Appell an alle Tiere, ihre Behausungen nur für den Nahrungserwerb zu verlassen, erwies sich als ungeeignet, da viele quasi obdachlos und ohnehin fast nur auf Nahrungssuche durch den Wald streifen. Statt in Resignation zu verfallen, setzte der designierte Waldbademeister alles daran, die Nadelbäume wieder durch Laubbäume zu ersetzen. Bis allerdings wieder ausreichend Kloblattwerk zur Verfügung steht, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern. Bis dahin hofft er darauf, dass wenigstens der GPS- Satellit nicht ausfällt.

Und die Moral von der Geschicht?
1)Eine Lösung kann noch so intelligent sein, sie wird immer unerwünschte Nebenwirkungen haben.
2)Wenn es pressiert, kann es manchmal von Vorteil sein, als Angsthase eine gewisse Distanz zu seinen Nachbärn zu wahren.

Die Wunderflöte

Vor vielen hundert Jahren, als das Flötespielen gerade in Mode gekommen war, häufte sich die Zahl der Flötenspieler, die darunter litten, dass sie eigentlich nur düstere Klängen hervorbringen konnten und darob fingerringend um Hilfe ersuchten. Da trug es sich zu, dass einem berühmten Flötendoktor unerklärliche Heilungen mit einer Wunderflöte nachgesagt wurden. Der waren zwar nur vier Löcher zu eigen, und ihr ließen sich ebenfalls nur düstere Melodien entlocken, aber ihr wurde die Gabe zugesprochen, dass ein Blick in jedes ihrer Löcher wertvolle neue Erkenntnisse vermitteln könne. Der Arzt hieß die Ratsuchenden nun, der Wunderflöte nacheinander vom Mundstück an in jedes einzelne Loch zu schauen und darauf zu achten, was sie erblickten. Der Blick in das erste Loch erfolgte voll Argwohn, und was war zu sehen? Ein dunkles Nichts! Sagt mir ganz ehrlich: Wer kann sich so etwas bei einer Wunderflöte schon vorstellen? Es erstaunt wohl keineswegs, dass eine gehörige Ratlosigkeit den Blick in das zweite Loch bald folgen ließ. Und was erspähten die verunsicherten Augen? Wieder ein Nichts, aber dieses Mal eine Winzigkeit heller! Nun ist es nicht von der Hand zu weisen, dass auch die geringste Helligkeit beruhigend auf Ängstliche einwirkt und womöglich sogar Hoffnungen weckt.




Das öffnete den meisten die Augen für den Blick in das dritte Loch. Mit spürbarer Erleichterung war trotz der mittlerweile irgendwie erwarteten Leere eine weitere Zunahme der Helligkeit festzustellen. Und es kam, wie es kommen musste: Ein nahezu furchtlos gewordener Blick in das immer deutlicher erkenbare gegenstandslose Nichts der vierten Öffnung mündete in die Einsicht, dass nichts Materielles im Innern zu den unangenehmen Tönen geführt haben konnte. Wer ob dieser Schilderung nun mutmaßt, dass Heilungen immer auf derartigen Einsichten beruhten, der muss sich eines anderen belehren lassen, denn nicht wenige verzweifelten an der neuen Erfahrung. Andere jedoch begannen nachzudenken, und so kam vielen die Erleuchtung, dass es an der Stimmung der Flöte liegen müsste und an der Art, wie ihr der Atem eingehaucht würde. Sie huben alsbald an, sich von ihren herkömmlich erstandenen Flöten zu trennen und mit großer Sorgfalt selbst neue zu bauen, die zu guter Letzt dazu führten, dass nach und nach immer heiterere Melodien erklingen konnten, zumal langsam einsetzende Erfolge den Atem der Flötenspieler zunehmend befreiten. Und wenn sie auch schon längst gestorben sind, so leben sie jetzt zumindestens für den Moment wieder auf.
HOMO LUPO HOMO

In grauer Vorzeit waren die Isegrimms noch gefräßig, dumm und böse. Dabei fanden sie nicht nur Gefallen an Kindern, Schafen und Ziegen, sondern verschmähten auch keine bettlägerigen Großmütter. Vielleicht lag es an Letzterem, dass viele Menschen sie sich sogar zum Vorbild nahmen, und der Spruch HOMO HOMINI LUPUS (Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.) machte nahezu unbestritten die Runde. Auch kann es als ein Zeichen von einer gewissen ehrfürchtigen Beachtung gewertet werden, dass bis heute keiner auf die Idee kommt, dem Lupus etwa süffisant eine Lupussy zuzugesellen. Doch es kam letztlich, wie es immer kommt, wenn bei der Nahrungssuche weder ein karges Angebot noch ernsthafte Konkurrenz zu beklagen sind: Sie wurden unvorsichtig und träge und fanden sich darob zuhauf mit Wackersteinen beschwert auf diversen Teichböden im Märchenland der Brüder Grimm wieder. Wen wundert es da, dass es ausschließlich Vertreter der nachwachsenden Menschengenerationen waren, die ihre Opferrolle nicht mehr annehmen wollten, infolgedessen ihren Geist aktivierten und sich in der Konfrontation ausgefuchst und wacker behaupteten. Fortan hieß es HOMO LUPO LUPUS! (Der Mensch ist dem Wolf ein Wolf!) Zudem wurde die Natur durchkulturiert und für viele Tiere uninteressant. Die Wölfe zogen daraus sowohl ihre Lehren, als auch sich aus der Gegend zurück und wurden lange lange Jahre nicht mehr gesehen. Da es aber für den gemeinen Erwachsenen problematisch werden kann, wenn er so garnichts mehr zum Gruseln findet und seinen Kindern keine Angst mehr vermittelt werden kann, wurden einige Exemplare eingefangen und zur mitfühlenden Begaffung in öffentlichen Tierzuchthäusern eingezäunt. .

Abgesehen davon, dass es dem gemeinen Wolf ein Leichtes ist, solche Ansinnen zu untergraben, waren es die nachwachsenden Wolfgenerationen, die ähnlich wie andere Wildtiere ob des durch die Zivilisation immer leichter zu erlangenden und reichhaltiger werdenden Nahrungsangebotes ihre Scheu vor den Menschen verloren. Sie liefen dabei zwar oft Gefahr, überfahren zu werden, trafen aber ebenso anderswo auf eine nachwachsende Generation von Menschen, die offenbar schlechtgewissentlich neue Herausforderungen in einem eher naturverbundenem Leben suchte und den Wolf zwar immer noch gefräßig, aber nicht mehr dumm und böse, sondern schlau und bösonders fand. So kommt es nicht von ungefähr, dass Kindertagesstätten in weiser Voraussicht auch mal Waldspaziergänge untersagt bleiben, obwohl dabei die Gefahr für die Wölfe eher gering einzuschätzen ist, da Wackersteine schon seit längerem nicht mehr in Mode sind. Außerdem wäre das Töten von Tieren auch nicht im Einklang mit den veganen Bestrebungen, die gerade immer stärker in Mode kommen. Und die Moral von der Geschicht? HOMO LUPO HOMO! (Der Mensch ist dem Wolf ein Mensch!) Irgendwie klingt das doch viel runder, und wenn sie sich nicht gegenseitig umbringen, dann menschelt es noch morgen.

 

Rumpelsammler (frei nach den Gebr. Grimm)

Es war einmal ein König, der sich in den Kopf gesetzt hatte, dass in seinem Reich das Licht nie ausgehen werde, und es war einmal ein Pfarrer, der war arm, aber er hatte eine Tochter, die immerhin Physik studiert hatte. Nun traf es sich, dass er mit dem äußerst energiehungrigen König zu sprechen kam, und um sich ein Ansehen zu geben, sagte er zu ihm: „Ich habe eine Tochter, die kann Kerne zu Strom spalten.“ Der König sprach zum Pfarrer: „Das ist eine Kunst, die mir wohl gefällt, wenn deine Tochter so geschickt ist, wie du sagst, so bring sie morgen in mein Schloss, da will ich sie auf die Probe stellen.“
Als nun das Mädchen zu ihm gebracht ward, führte er es in eine Kammer, die ganz voll Kerne lag, gab ihr Hammer, Meißel und Amboss und sprach: „Jetzt mache dich an die Arbeit, und wenn du diese Nacht durch bis morgen früh diese Kerne nicht zu Strom gespalten hast, so musst du sterben.“ Darauf schloss er die Kammer selbst zu, und sie blieb allein darin. Da saß nun die arme Pfarrerstochter und wusste um ihr Leben keinen Rat: Sie verstand zu wenig davon, wie man Kerne zu Strom spalten konnte, und ihre Angst ward immer größer, dass sie endlich zu weinen anfing. Da ging auf einmal die Türe auf, und trat ein kleines Männchen herein und sprach: „Guten Abend, Jungfer Pfarrerin, warum weint Sie so sehr?“ „Ach“, antwortete das Mädchen, „Ich soll Kerne zu Strom spalten und verstehe das nicht." Sprach das Männchen: "Was gibst du mir, wenn ich dirs spalte?" „Mein Halsband“, sagte das Mädchen. Das Männchen nahm das Halsband, setzte sich vor den Amboss, und pling, pling, pling, dreimal gehämmert war ein Lämpchen am Leuchten. Dann nahm es das nächste Häufchen, und pling, pling, pling, dreimal gehämmert war ein zweites Lämpchen am Leuchten: und so gings fort bis zum Morgen, da waren alle Kerne gespalten, und alle Lämpchen im Raum leuchteten.
Bei Sonnenaufgang kam schon der König, und als er das Leuchten erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nur noch gieriger. Er ließ die Pfarrerstochter in eine andere Kammer voll Kerne bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr, das auch in einer Nacht zu apalten, wenn ihr das Leben lieb wäre. Das Mädchen wusste sich nicht zu helfen und weinte, da ging abermals die Türe auf, und das kleine Männchen erschien und sprach: „Was gibst du mir, wenn ich dir die Kerne zu Strom spalte?“
„Meinen Ring von dem Finger“, antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring, fing wieder an zu hämmern und hatte bis zum Morgen alle Kerne zu kraftvollem Strom gespalten. Der König freute sich über das nunmehr taghelle Flutlicht, war aber noch immer nicht des Lichtes satt , sondern ließ die Pfarrerstochter in eine noch größere Kammer voll Kerne bringen und sprach: "Die musst du noch in dieser Nacht spalten: Gelingt dir’s aber, so sollst du meine Gemahlin werden." „Wenn’s auch eine Pfarrerstochter ist“, dachte er, „eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht.“ Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder und sprach: „Was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal die Kerne spalte?“ „Ich habe nichts mehr, das ich geben könnte“, antwortete das Mädchen. „So versprich mir, wenn du Königin wirst, dein erstes Kind.“ „Wer weiß, wie das noch geht“, dachte die Pfarrerstochter und wusste sich auch in der Not nicht anders zu helfen; sie versprach also dem Männchen, was es verlangte, und das Männchen spaltete dafür noch einmal die Kerne zu Strom. Und als am Morgen der König kam und alles fand, wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Pfarrerstochter ward eine Königin.
Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an das Männchen: Da trat es plötzlich in ihre Kammer und sprach: „Nun gib mir, was du versprochen hast.“ Die Königin erschrak und bot dem Männchen alle Reichtümer des Königreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte: aber das Männchen sprach: „Nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt.“ Da fing die Königin so an zu jammern und zu weinen, dass das Männchen Mitleiden mit ihr hatte: „Drei Tage will ich dir Zeit lassen", sprach er, "wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.“
Nun besann sich die Königin die ganze Nacht über auf alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit, was es sonst noch für Namen gäbe. Als am andern Tag das Männchen kam, fing sie an mit Gerhard, Guido, David, Stefan und sagte alle Namen, die sie wusste, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein: „So heiß ich nicht.“ Den zweiten Tag ließ sie in der Nachbarschaft herumfragen, wie die Leute da genannt würden, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten Namen vor „Heißt du vielleicht Watteinfall oder Erwehe oder Ennbewe?“ Aber es antwortete immer: "So heiß ich nicht.“
Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück und erzählte:

Neue Namen habe ich keinen einzigen finden können, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus, und vor dem Haus brannte ein Feuer, und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen, hüpfte auf einem Bein und schrie:
„Heute back ich,
Morgen brau ich,
Übermorgen hol ich der Königin ihr Kind;
Ach, wie gut ist, dass niemand weiß,
dass ich Rumpelsammler heiß!“
Ich fragte das Männchen, wie es zu diesem sonderbaren Namen gekommen sei , und es erzählte mir folgende Geschichte:
Der Gammlersammler von Hampeln
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts ließ sich zu Hampeln eine außergewöhnlicher Mann sehen. Er hatte einen Rock im feinsten Businesslook an und gab sich für einen Gammlersammler aus, indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Gammlern und anderen Sozialschmarotzern zu befreien. Die Bürger sagten ihm diesen Lohn zu, und der Gammlersammler zog sein Pfeifchen heraus und pfiff. Da kamen alsbald die Gammler und Sozialschmarotzer aus allen
Ecken hervorgekrochen und sammelten sich um ihn herum. Als er nun meinte, es wäre keiner zurückgeblieben, ging er aus der Stadt hinaus in die dritteArbeitswelt; der ganze Haufen folgte ihm nach, fiel aus der Statistik direkt ins prekäre Arbeitsleben und kam darin allmählich zugrunde.
Als aber die Bürger sich von ihrer Plage befreit sahen, reute sie der versprochene Lohn, und sie verweigerten ihn dem Mann, so dass dieser verbittert wegging. Zwei Jahre später kehrte er jedoch zurück in Gestalt einer jungen Frau, schrecklich freundlichen Angesichts, mit einem grünrn, rotbefederten Hut und ließ, während alle Welt vor dem Fernseher versammelt war, seine Pfeife abermals in den Gassen ertönen. Alsbald kamen diesmal nicht Gammler und Sozialschmarotzer, sondern Kinder, Knaben und Mägdlein vom vierten Monat an in großer Anzahl gelaufen. Wer noch nicht laufen konnte, wurde von den Älteren einfach mitgenommen. Diese führte er, immer spielend, zum Stadttore hinaus in ein riesiges KinderZentrum, in dem er mit ihnen verschwand. Nur zwei Kinder kehrten zurück, weil sie sich verspätet hatten; von ihnen war aber das eine blind, so dass es die Stelle des Verschwindens nicht zeigen konnte, das andere stumm, so dass es nicht erzählen konnte. Ein Knäblein war umgekehrt, seinen Rock zu holen und so dem Unglück entgangen. Einige sagten, die Kinder seien in einem Tunnel ins ferne Abenteuerland geführt worden und - wenn überhaupt - dann nur als rüstige Rentner zurückgekommen.

Da könnt ihr denken, wie die Königin froh war, als sie den Namen hörte, und eine Bezug zu ihrem eigenen Problem mit ihm herstellen konnte. Und als bald hernach das Männlein hereintrat und fragte: "Nun, Frau Königin, wie heiß ich?" fragte sie erst: „Heißest du Jürgen?“ „Nein.“ „Heißest du Sigmar?“ „Nein.“ „Heißt du etwa Rumpel...“ Das Männlein zuckte zusammen. „Heißt du etwa Rumpel...sammler?" Dem Männlein rumpelte ein Stein von der Brust, doch es ließ es sich nicht anmerken. „Wer hat dir denn DAS gesagt?“ „Stimmts?“ freute sich die merklich erleichterte Königin. Doch das Männlein lächelte diabolisch: „Zwei Herzen, ach, wohnen in meiner Brust, jedoch: Knapp vorbei ists auch daneben – soo steht es jedenfalls nicht in meiner Missgeburtsurkunde. Aber die Idee ist guuut“ Sprachs und holte sein Pfeifchen heraus, woraufhin alle Kinder aus dem gesamten Hofstaat angelaufen kamen und ihm folgten, als es fröhlich von dannen hüpfte und fortan samt der Kinderschar nie mehr gesehen ward.
"Das hat mir der Teufel gesagt, das hat mir der Teufel gesagt", schrie die nunmehr mit allen bösen Geistern gesegnete Königin und stieß mit dem rechten Fuss vor Zorn so tief in die Erde, dass sie bis an den Leib hineinfuhr, dann packte sie in ihrer Wut den linken Fuß mit beiden Händen und riss sich selbst mitten entzwei.

 

Ein Kombimärchen

Wie vielen von euch noch aus Kindertagen bekannt sein dürfte, hatten es auch schon schon vor langer Zeit diejenigen leichter, die einen Stiefel vertragen konnten. Ich meine damit keineswegs nur die vielen Dorfhonoratioren, sondern vor allem jene Wesen, die sich in nahezu märchenhafter Weise solch fortschrittlicher Gehhilfen bedienten. Die Berichte darüber haben Generationen zu Schuhspannern und darüber hinaus mitunter zu regelrechten Fußfetischisten werden lassen. So nimmt es nicht Wunder, dass eine Gruppe von motorisch Unzufriedenen nahezu jeden Wald- und Wiesenweg zum billigeren Jakobsweg vervölkert, solange ihn nicht marodierende Mountainbiker endgültig zerpflügen und freidrängeln. Da kommt es schon mal vor, dass bisweilen die Wanderstiefel – und bei weitem nicht nur die aus dem Discount- oder Second-feet-Läden– mitten im schönsten Flow ihren Geist aufgeben, wenngleich der Schwund noch vernachlässigbar ist gegenüber den Schuhproblemen der Jogger, Walker und IronWomen. Aber hier weiche ich ab. Zurück also zu den Jakobsweganern:

Als eines schönen Tages voller wunderbarer Wandermeilen mitten im Wald einer weidlich eingelaufene Wandermagd just die Sohle unter den Füssen entzogen wurde, war die Not so groß, dass sie nicht mehr weiter wusste als auf ein Wunder zu hoffen. Sie besann sich auf alte Märchen, die sie als Kind vorgelesen und als Erwachsene im Fernsehen recycelt präsentiert bekommen hatte. Sie schaute sich also um und erblickte nach intensiver Erforschung der Flora – zum Glück war sie mitten in einem Bioreservat gelandet – im hohen Gras am Wegrand versteckt eine unscheinbare blaue Blume. „Sollte ich oder nicht?“, kam es in ihr hoch und sie beschloss: „Es gibt nichts Gutes, außer frau tut es!“ Behutsam ward die Blume gebrochen und Gottsei Dank -weiß der Teufel warum?- wirkte der vermeintliche Zauber umgehend: An einem uralten Gatter, hinter das sie sich zur ebenso dringlichen wie verständlichen Erleichterung zurückgezogen hatte, fand sie ein Paar Wanderstiefel hängen. Die waren zwar auch nicht mehr die Jüngsten, aber schienen ihren Dienst trotzdem voll zu erfüllen, was sich im Laufe der nächsten Kilometer dann auch bestätigen sollte. Soweit das Wunder. Die Frage bleibt: Wie kamen die Stiefel an jene Stelle?Wen wundert es, dass diese Situation aus einer märchenhaften Begegnung resultiert? Na wißt ihr schon, aus welcher? Nun gut, ich will euch nicht mit meiner Fragerei unnötig auf den Senkel gehen:

An eben dieser Stelle fand vor geraumer Zeit anläßlich eines aufwendig organisierten Fairytale-Festivals ein schicksalhaftes Zusammentreffen des Däumlings mit dem gestiefelten Kater statt. Beide hatten dazu ihre Stiefel mitgebracht. Nach kurzer Zeit des Beschnupperns kam es, wie es kommen musste . Beide hatten ihren Stiefeln ja aus unterschiedlichen Gründen ihre Karriere zu verdanken. Der Däumling schwärmte von der rasant gesteigerten Mobilität durch seine Siebenmeilenstiefel, während der Kater vollauf damit zufrieden war, dass ihm sein Schuhwerk erst den aufrechten Gang ermöglicht hatte. Diese ohne Zweifel zeitlos aktuelle Diskussion um Selbstbewußtsein und Technikgläubigkeit führte schnell zum Streit. „Ich brauche solche Turbotreter nicht. Was ich im Kopf habe, brauche ich nicht in den Latschen zu haben - vom Jetlag mal ganz abgesehen“ miraunzte der Kater. „Hochmut kommt vor dem Fall, und außerdem ist Hightech nicht verboten- ganz im Gegenteil!“ hielt der Däumling dagegen. So ging es eine Zeitlang weiter Daumen rauf und Daumen runter, bis beide ganz verkatert am Gatter lehnten und nicht mehr ein und aus wussten. „Wir sollten uns von unseren ollen Lieblingsstiefeln endlich trennen, bevor wir sie uns in unserem Alter noch um die Ohren hauen!“ schlug schließlich der Kater vor. „“Wir brauchen sie ja nicht wegschmeißen. Vielleicht kann sie ja noch jemand gebrauchen?“ gab sich der Däumling damit zufrieden. Gesagt, getan – im Nu fanden sich die beiden Paare am Zaun baumelnd und Kater nebst Däumling in der Versenkung wieder. Ohne Stiefel waren sie ja für das Festival uninteressant geworden. Die Schuhe hingen eine Zeit lang noch friedlich nebeneinander ab. Gelegentlich kamen Wanderer vorbei, aber keiner interessierte sich wirklich für die beiden.Sie waren nicht modisch genug, und der Markt hatte schon längst auf Neunmeilenstiefel umgestellt. Das blieb den Siebenmeilenstiefeln nicht verborgen und grämte sie gewaltig. Außerdem litten sie mehr unter der fehlenden gewohnten Intensivpflege, ohne die sie ihr Selbstbewusstsein schnell verloren. Sie zerrten und zergelten solange an ihren Schuhbändern, bis diese beim nächsten Sturm zerbarsten. Die Folge? Sie flogen in den Graben als Futter für die Raben. Ob die Raben das wirklich fressen mochten, sei dahingestellt. Es ist aber ein schönes Zitat, an das ihr euch vielleicht noch erinnern könnt. Wie es den PersonalCoachs des Katers ergangen ist, habt ihr ja bereits erfahren

Und die Moral von der Geschicht?

Vielleicht wisst ihrs? Ich weiß es nicht!

Des Kunden neue Kleider - ein Märchen?

Politiker werden in einer Demokratie aus konkurrierenden Vereinen, die Parteien genannt werden, vom Volk gewählt. Sie werden mit einem Zeitvertrag ausgestattet, der in den meisten Fällen beliebig verlängert werden kann. Sie verabschieden Gesetze und kümmern sich vor allem um die Erhaltung ihres Jobs auf drei Ebenen: Zuerst muss die Finanzierung der Partei gesichert sein, und danach muss die Spitzenposition innerhalb der Partei behauptet werden, die letztendlich dazu berechtigt, sich einem permanenten Casting zu stellen, das Wahlkampf genannt wird. Das sind ohne Frage eine Menge Aufgaben auf einmal, die auf eine Art zusammenhängen, welche für den gemeinen Souverän nicht so leicht zu durchschauen ist. Vielleicht wird das an einem Beispiel deutlich:

Angenommen, ein aufwendig beworbenes Kleid wird in der Filiale eines angesagten Bekleidungshauses erworben. Das Bekleidungshaus spielt hierbei die Rolle der Partei, die Politiker sind die Verkäufer, als Kleider dienen die Gesetze und die Kunden repräsentieren den gemeinen Souverän. Das funktioniert solange prima, bis Kunden Mängel entdecken. Die können zum einen im Sortiment begründet sein und zum anderen im einzelnen Kleid beim Dauergebrauch. Das führt womöglich zwischen Verwunderung, Unmut und Lästerei zu Protest und jeder Menge ungehaltener Kundenreaktionen, die sich als Antiwerbung bis hin zum Boykott entwickeln können. In der Politik wären das Streiks oder Demonstrationen bis hin zum Aufstand.
Das Bekleidungshaus finanziert sich durch Kunden und Investoren. Für die Kunden muss es ein angenehmes Kaufambiente vorhalten, sowie Warenangebot, bei dem gewisse Mängel allerdings nicht zu vermeiden sind, weil sie den Ansprüchen der Kunden entsprechen sollen. Bei den Investoren wird es dagegen kompliziert, weil diese in erster Linie die Rendite im Geierauge haben. Folglich ist eine ausgeklügelte Binnenpolitik vonnöten.

Was die Personalpolitik betrifft, sorgt die Tradition immer noch für Bewerber um die prekären Verkaufsjobs an der Theke und im Lager. Serviles unkritisches Wohlverhalten wird mit einer mehr oder weniger bescheidenen Karriere belohnt, während die leitenden Angestellten mit Erfolgsprämien weidlich motiviert werden können und sich nebenbei gute Aussichten auf eine bereichernde Anschlussaufgabe im Bereich der Zulieferer erarbeiten dürfen. Ohne eine ausgebuffte Einkaufspolitik reicht das aber nicht aus. Die wiederum treibt besonders die Massenproduzenten dazu an, ihre Erzeugnisse ebenfalls möglichst billig anzubieten und demzufolge auch herzustellen. Dies kann sich in Verbindung mit ausgefallenen Kundenwünschen als ausgesprochen umweltschädlich erweisen. Das ist an sich schon schlimm genug, doch jetzt kommt der Kunde auch am anderen Ende der Handelskette ins zweifelhafte Spiel: Die größten Ramschproduzenten sind in der Regel aktienfinanziert, und die meisten Kunden haben noch Sparverträge oder Ansprüche an (Renten-) Versicherungen. Damit sind sie selbst mittelbar Eigentümer der Firmen, die für die Umweltprobleme verantwortlich sind. Insofern dienen die Verkäufer an den Ramschtheken als Sündenböcke für die eigenen Unzulänglichkeiten, die sich im unreflektierten Bestreben nach Sicherheit und Bequemlichkeit äußern.

Soweit zu den Kleidern und damit zu den Gesetzen, für die sie als Beispiele herhalten: Die Information darüber ist die eigentliche Aufgabe von Umweltaktivisten. Sie muss aber Auge in Auge im Kundenkreis geleistet werden, wo es ausgesprochen unangenehm werden kann, und nicht dort, wo es für Protagonisten wie Gaffer eine angenehme Unterbrechung des Alltags bedeutet, weil falsche Zielsetzungen mit publikumswirksamen Provokationen verbunden werden. Die Politiker sind damit aber nicht entlastet, denn wenn dabei mit dem Zuspruch von führenden Politikern Gesetze nicht befolgt werden, dann stellt sich die Politik selbst in Frage. Für das Bekleidungshaus würde das bedeuten, dass es seine Kunden dazu animiert, bestimmte Kleider aus sorgsam verschwurbelten Gründen nicht anzuziehen. Das wären dann die neuen Kleider des Kunden, der zwar nicht Kaiser ist, aber immer noch als König hoffiert wird. Die Kunst dabei besteht darin, dass das gefälligst keinem auffällt - außer einigen ins Off lamentierenden Narren, die leider nicht auszurotten sind und ohnehin nur ganz spezielle Gewänder aus kleinen Manufakturen bevorzugen, derentwegen sich nicht einmal ein Sonderregal rentiert.
PHILEMON UND BAUCIS 2021
(frei nach Ovid)

Fast alle stöhnen unter dem Joch der Pandemie.
Die Tage der Woche heißen seit Neujahr 2021 Potsdam, Hamburg, Wismar, Stuttgart, Wien, Kitzbühel und ZDF- Reportage.
Im letzten Jahr hießen sie noch München, Köln, Wismar, Stuttgart, Kitzbühel, Wien und ZDF- Reportage.
Zu 90% verläuft sich ein Tag wie der andere.
Je länger einem die Tage vorkommen, desto kürzer erscheinen die Wochen.
Die Woche fängt am Wismar an, denn dann wird für die ganze Woche eingekauft. Die anderen festen Außentermine sind die diversen Müllabfuhren zweimal (dreimal) im Altmonat am Hamburg (Wismar).
Das Auto ist zwar unverzichtbar, aber es wird nur ab und zu bewegt, damit sich in den Benzinleitungen keine Legionellen ausbreiten können. Demzufolge reicht eine Tankfüllung pro Neumonat.
Die Neumonate heißen ab sofort Sommer, Herbst und Frühjahr. Sie sind wetterbedingt unterschiedlich lang. Die Geburtstagsreife dürfte gefühlsmäßig erst nach dem 9. Neumonat eintreten. Das passt irgendwie.
Ist das etwa ein Leben, wie es zu sein hat? Gewiss nicht, wenn es im Geist der Zeit definiert wäre.

Es gibt aber ein altes Ehepaar, das verbringt dennoch mit einer gewissen Restzufriedenheit seinen Lebensspätnachmittag. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass sie auch vorher schon nicht zeitbegeistert waren und somit die Krise annehmen konnten, als sie an ihre Tür klopfte. Die beiden kommen aufgrund ihrer ebenso einfachen wie nachhaltigen Konsumansprüche mit Rücklagen und einer mittleren Frühpension aus, weil sie sich noch selbst vollversorgen können und nicht mit Bekannten und Verwandten konkurrieren müssen. Sie leben immer noch in einem Haushalt an der Borderline abseits von Ballungsgebieten in einfamilienhäuslicher Freilandhaltung auf 1000 m², haben einen halbwegs schnellen Internetanschluss, und bei passendem Wetter lockt täglich ein Strandgang oder eine Radtour in die nächste Umgebung. Außerdem sorgt eine aufmerksame Nachbarschaft dafür, dass Pakete auch dann ankommen, wenn sie von entweder sprachunkundigen oder überforderten Kurieren einfach irgendwo in der näheren Umgebung abgelegt werden. Das einfache Leben an lediglich einer Front fordert zwar ebensoviel Energie wie das excessive Tanzen auf möglichst vielen Hochzeiten, aber es spricht einiges dafür, dass sie durch ihre besonnene Auswahl und Nutzung der Energiequellen auch den Lebensabend weidlich begehen könnten.

KLEMENS UND PHYLAX

Es lebte einst ein auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz bedachter Selbstversorger namens Klemens, der zwar nicht leicht an die Decke ging, jedoch mitunter bei einer Häufung von spontan auftretenden Aufgaben den Überblick verlor. So ein Ereignis trat eines Tages ein, als er bei der Zubereitung eines Biobauernfrühstücks durch ein eigenartiges Geräusch im Vorgarten abgelenkt wurde und bei der ebenso langwierigen wie frustrierenden Suche nach der Ursache völlig die vor sich hin kokelnden Bratkartoffeln vergaß. Daraufhin konnte seine Behausung nur mit viel Glück vor der totalen Vernichtung bewahrt werden. Somit verwunderte es nicht wirklich, dass in dem neu renovierten Heim dem bis dahin recht unbekümmert vor sich hinlebenden Zeitgenossen erstmalig prophylaktische Erwägungen in den Sinn kamen. Was daraus resultierte, war eine Lebensgemeinschaft mit einem Rauchmelder namens Phylax.
"Wo Rauch ist, ist auch Feuer - zumindestens nicht weit." dachte sich Klemens und richtete sein Handeln fortan danach aus mit dem Ergebnis, dass es bis zum Verfassen dieses Märchens zu keinem bedrohlichen Vorfall gekommen ist, der
Alarm zwingend hätte auslösen müssen. Das Bemühen wurde allerdings dadurch erschwert, dass sich Phylax als überaus sensibel und pflichtbewusst erwies und im Gegensatz zu Klemens leicht an die Decke ging, wobei es ihm offenbar nicht bewusst war, dass er bereits an der Decke hing. Soviel zur Künstlichen Intelligenz. Mit zunehmer Verstaubung der Sensoren wäre zwar mehr Toleranz zu erwarten gewesen, aber weit gefehlt! In solchen Apparaturen sorgen nämlich die Akkus für eine sinnvolle Zurückhaltung. Das beinhaltet allerdings, dass mit zunehmendem Alter die Kraft nachlässt und damit auch die Beherrschung. Folglich musste fürderhin Klemens damit fertig werden, dass es bei ihm wohl nahezu kontinuierlich piepte, zumal er nicht einsah, dass er ständig neuen Elektroschrott produzieren sollte. Außerdem trat auch bei ihm mit der Zeit ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, was Tinnituspatienten vermutlich irgendwie nachvollziehen könne.

Aber nun der Reihe nach:
Es begann damit, dass Klemens unweigerlich zum Nichtraucher wurde, was an sich ja wünschenswert sein sollte und deswegen von ihm auch durchaus positiv aufgenommen wurde. Als Phylax sich nach einiger Zeit beim energiesparenden Eierkochen bei den ersten Wasserdampftröpfchen zu Pieps meldete, fand das Klemens sogar hilfreich. Ein leichtes Stirnrunzeln rief erst eine deutliche Aversion des Wächters gegen die Verwendung von Räucherstäbchen hervor, aber auch daran konnte Klemens sich rasch gewöhnen. Er fand es in dieser Phase sogar erheiternd, mit einem Räucherfisch auf dem Teller den Phylax zu provozieren. Bisweilen schien ihm dies nach seinem eigenen Bekunden sogar zu gelingen, aber auch wenn es wirklich so gewesen sein sollte, dauerte das Vergnügen doch nur kurze Zeit.
n.



Was folgte, war ein Stirnrunzeln, als auch Pupse ein Piepsen entlockten, und als sogar schon Rülpsen für kritische Nebentöne sorgte, vertieften sich die Dackelfalten. Das geschah in der Anfangsstufe erst aus Argwohn, der später durch die Anstrengung beim Unterdrücken der Ursachen abgelöst wurde. Da Rauchmelder trotz aller programmierten Nutzintelligenz auch nur Menschen sind, hätte man darüber ja miteinander reden könne, aber Klemens befürchtete, dass dann schon seine wahrscheinlich ein wenig erhitzte Atemluft zumindestens für ein alarmierendes Mucken ausreiche. So geschah es, dass Klemens zum Klemmi wurde, weil er auch in der Beziehung zueinander nichts anbrennen lassen wollte. Ihm schien sogar, dass Phylax im Laufe der gemeinsamen Zeit ab und zu mit seinem Gefühl laxer umging als gewohnt, aber das könnte von Fachleuten durchaus als Wunschdenken gewertet werden. So gingen die Jahre ins Land, und wenn die Akkus nicht den Geist aufgegeben haben, dann leben die beiden noch heute.



Die Märchenerzähler- Trilogie

Impressionen aus dem Märchenland der Gebrüder Grimm

Impressionen aus dem Gespensterwald rund um Nienhagen

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