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Tortenbacken ist eine kulturelle Errungenschaft und macht folglich einen Tortenbackwettbewerb zu einem kulturellen Ereignis. An den Badestränden haben sich nicht ohne Grund daraus Burgenbau- und Sandskulpturwettbewerbe von höchster Qualität herauskristallisiert.Wenn das dann auch noch von der Touristik-Information gebührend ausgestattet und beworben wird, und wenn die Gäste danach sogar von den Kunstwerken probieren dürfen sollen, finden sich sogar an einem locker über 30 Grad heißen Julisamstagnachmittag knapp über 30 zumeist Ü30er in den Seehallen hinterm Deich des Nordseebades Otterndorf zu einer Ü30 -Tortenparty ein. Sie wurden von 16 von HobbybäckerInnen mit ordentlich viel Aufwand und Fleiß gefertigten Gebilden erwartet, die um Vergebung baten. In gespannter Geberlaune  saßen mit prall gefüllten Punktetaschen 5 Juroren zur Verfügung - ein Ortsbäcker, der Obermeister der Bäckerinnung und einzige verbliebene Konditor Cuxhavens, der Ehrenbürgermeister, die örtliche Tourismuschefin und eine Funktionärin der Landfrauen. Bewertet wurden Optik (20%), Kreativität (30%) und Geschmack (immerhin noch eher unzeitgemäße 50% !!). Als Preise standen 300€, 200€, 100€, für jede Teilnehmerin eine Kochschürze und das Angebot des beschriebenen Ortsbäckers, die Siegertorte als Blechversion (??? - davon später) nachzubacken. Dass für die Castingprozedur zweieinhalb Stunden veranschlagt wurden, senkte allerdings den kulinarischen Gratiserfahrungshunger und sorgte somit für Fluktuation auf den hinteren Rängen im Zuschauerbereich. Wer von daheim seit Jahrzehnten hervorragende selbstgemachte Torten (z.B. so etwas) gewöhnt ist und den Rüffel der Großmutter, dass "man mit dem Essen nicht spielt" in den Ohren hat, kann sein quietschbuntes Retortenwunder erleben, bevor er zur Hälfte der Veranstaltung ebenfalls solchselbige verlässt.



Manches blieb dem Zuschauer allerdings verborgen:
Wo isses denn, das Mäuschen?

Wo sind sie denn, die Kirchen?
Und überhaupt: Der Knethaufen auf dem rechten Exemplar
 ist der Versuch einer Nachbildung der ortsansässigen Otterskulptur und soll nicht etwa einen denkwürdigen Geschmack suggerieren.
Ein weiterer Otter erschien als Skulptur, deren Beschneidung allein fast 10 Minuten in Anspruch nahm und ein unschönes Loch im Bauch bewirkte, das als "Otterschnitt" in die Backliteratur eingehen dürfte.
Zwei Gebilde sahen wenigstens wie eine herkömmliche Torte aus, wobei das Bienenmodell noch mit einem belehrenden Text versehen wurde, der auf das durch Menschen verursachte Bienensterben aufmerksam machen sollte. Auf wen sollte jedoch zum Beispiel die Information Eindruck machen, dass in China die Pflanzen schon per Hand bestäubt werden, wenn das hier doch schon längst bei den Menschen üblich geworden ist? Hingegen bedurfte die ringsum aufwendig verschimmelte Konkurrentin höchstens der Erweiterung durch die Vorsilbe "Späte".

Außerdem wurden zwei maritim gestaltete und eine zweite verotterte Dekolorienbombe aufgetischt.  Bevor womöglich noch eine vegane Torte kreatividenzt zu werden drohte, zog es den schweißgebadeten Berichterstatter zum Strandimbiß mit "fish and fun".

Was den Geschmack betrifft, war bei der Anzahl der Proben, der wilden Vermischung der zahlreichen jeweiligen Zutaten und der damit  verbundenen sommerlich aufgeheizten Gaumentortur nicht mit einer vernünftigen Beurteilung zu rechnen, zumal ein Herumstochern in Tortenfragmenten ohnehin keinen umfassenden Eindruck vermitteln kann. Da es zudem für die Haptik keine Punkte zu vergeben gab, wäre es wohl besser und vor allem zeitgemäßer gewesen, die Probestücke als Smoothies zu verabreichen, anstatt unhandliche Skulpturen zu verschandeln. In Anbetracht dieser Möglichkeit fällt es wiederum leichter, sich die Siegertorte als Blechvariante vorzustellen. Immerhin hat bis zur Hälfte der Veranstaltung keinE JurorIN einen Schlagsahnenanfall (Bei der Beerenkiste bat einer sogar um mehr davon!) oder eine allergische Schokoreaktion bekommen, was an sich schon als Kunst gewertet werden muss.

Nachschlag:

Es gab laut Facebookfotoalbum der Tourist-Information Nordseebad Otterndorf  danach noch einige  otterfrei vernünftig aussehende Kreationen. Die höchstgepriesene Siegertorte wurde ganz nach dem "Geschmack" der Veranstalter jedoch  ein mit einer (zufällig?) der Farbe der verteilten Kochschürzen nahekommenden  himmelblauen Burka total verhüllter Himbeertraum mit aufgesetztem Matrosenotter im Ruderboot an bunten Strandutensilien. Die Vizetorte unterschied sich im Prinzip nur dadurch, dass die Burka dunkelblau gefärbt war, wohingegen der Otter auf der drittplatzierten Torte sich auf einer Art Werbeplakat für den Ort reckte.

 

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