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Die Verwammung bei Schweinen
von Prof.Dr. oink Roland Risch , MHS Otterndorf


1.Einführung

„Nix is!“ So lautete die Diagnose der Veterinärmediziner noch in der Mitte dieses Jahrhunderts, wenn ein Schwein sein artgerechtes Verhalten verloren hatte. Die Notschlachtung war vorprogrammiert - und im Extremfalle hatte der Schweineversicherungsverein fuer einen Schaden einzutreten, und der Abdecker seine Freude.Was war geschehen?
Das Schwein zeigte atypisches Verhalten, dessen Ursache nicht erkannt wurde. Es versuchte, mit Hühnern zu kuscheln. Eber werden schwul, Sauen zeigen lesbische Anlagen. Kataleptische Zustaende führten zu Schlachtungen bei lebendigem Leibe.
Spasmen lösten beim Bauern Phobien aus, die den Gebrauch von Schusswaffen gegen „die wildgewordene Sau“ zur Folge hatten. Desorientierung war an der Tagesordnung.Erschwerend wirkte sich die veraltete Trennung der Tiermedizin von der Humanmedizin aus. Erst zu Beginn unseres Jahrtausends zog der Fortschritt auch in den Schweinekoben ein. Fortschrittlich gesinnte Humanveterinäre erforschten das hier behandelte Problem, beschrieben es, und zeigten erste Ansaetze sachkundiger Diagnostik und Behandlungsmethoden auf.
Der folgende Beitrag soll aufzeigen, dass das Phaenomen der Verwammung bei Mensch und Schwein gleichermassen auftritt. Die Uebertragbarkeit von Art zu Art und die damit verbundenen epidemologischen Aspekte sollten an anderer Stelle abgehandelt werden, ebenso die Übertragbarkeit von Therapien.

2.Das Wesen der Verwammung - ein chemischer Prozess

Der Primäreffekt der Verwammung wird durch hydrophile, makromolekulare Substanzen, die in Wasser löslich (!) oder dispergier- und quellbar sind, oder die hochviskose Lösungen oder Suspensionen bilden, erzeugt. Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften, grosse Mengen Wasser zu binden, werden sie auch als Hydrokolloide bezeichnet.
Die eintretende Zustandsänderung einer kolloidalen Loesung (Sol genannt),ö bei der durch Ausbildung eines dreidimensionalen, lockeren Netzwerks die flüssige Phase immobilisiert und ein Gel ausgebildet wird, ist gemeinhin  kurz als Versülzung bekannt. Hierzu ist eine Variante erwähnenswert:
Neben der Gelantine können auch Polysaccharide  als Ursache der Versuelzung festzustellen sein; Auslöser sind Stärke und ihre Derivate (saustark!), Pektinstoffe (s. Schwein mit Apfelbaeckchen), Cellulosederivate(Cellulitis-Schinken) oder Alginate aus Meerespflanzen (Meerschwein(chen)).
Bei allen Formen der Schweine-Verwammung ist die Einlagerung von Lipoproteiden in die Wammenstruktur charakteristisch. Es handelt sich um eine hochmolekulare Substanz, in der Eiweisstoffe mit fettähnlichen Substanzen (Lipoiden) verbunden sind.
Wie manifestiert sich - biologisch betrachtet - die Schweineverwammung?
Sie ist - vereinfacht gesagt - eine Kombination von Alzheimer und Karzinom.
Sie bildet exogene Strukturen, aber auch endophytische , also in das Innere der Gehirnstruktur wachsende Elemente, vergleichbar mit Extremitäten, Füssen zum Beispiel, jeweils zu Dreierkombinationen ausgebildet. Sensationell ist die Entdeckung, dass die Anzahl der Tripoden immer „sieben“ beträgt. Nicht mehr, und nicht weniger. Für dieses Phaenomen hat die Wissenschaft keine Erkärung.Die Konsistenz der Verwammung fallweise zu ermitteln, ist Aufgabe der Diagnostik; die Therapierung muss unbedingt auf den Auslöser der Versülzung abgestimmt werden.

3.Die wammologische Diagnostik - Begriffsbestimmung

Die Wamme ist eine auf der Unterseite des Halses befindliche Hautfalte, die von der Kehle bis zurBrust reicht. Der Eindeutigkeit wegen hat die Wissenschaft diesen Begriff für das Schwein adaptiert, obschon es erst im Greisenalter eine solche Hautfalte auszubilden in der Lage wäre, würde es dieses Greisenalter je erreichen.
Die wammologische Diagnostik (WD) fasst alle herkömmlichen röntgenologischen Verfahren zur Erkennung kanzerogener oder kolloidaler Anomalien zusammen. Sie können in jedem Standardwerk der Röntgendiagnostik nachgelesen werden.
Den Königsweg bietet die Computer-Tomografie in Verbindung mit der Feinnadelbiopsie.
Begründung:
Hochpräzise Darstellungen pathologischer Gewebeveränderungen bietet zweifelsohne die Kernspintomografie; es ist allerdings schlicht unmöglich, eine 3-Zentner-Sau durch den engen Ring zu schieben.
Röntgenbilder bieten bekanntlich oftmals ein Szenario, das selbst erfahrenen Diagnostikern den Schweiss auf die Stirn treibt. So verbietet die hydrogene Beschaffenheit der Versülzung die einfache Röntgenologie.
Auf andere Verfahren wie die Sonografie soll hier nicht eingegangen werden. Ihre Ergebnisse sind gleichermassen unpräzise und darum abzulehnen.

4.Die Anwendung der wammologischen Diagnostik

Darstellung und Lokalisierung der Verwammung sowie deren Biopsie stellen heute kein Problem dar. Einzig die Technik der CT verdient einige erklärende Anmerkungen.Zunaechst ein wichtiger Hinweis:
Die Normsau aus industrieller Haltung ist bekanntlich mit Wachstumshormonen überversorgt. Einschlägige Erfahrungen aus der Wammografie ergaben, dass Hormongaben über einen langen Zeitraum Veränderungen des Gewebes in der Form von höherer Dichte herbeiführen, sodass  Gewebswucherungen - gleich welcher Art - nur schwer erkennbar sind. Darum ist bei der Auswertung der CT stets der erfahrene Schweinediagnostiker gefordert.
Der Humanveterinär erhält zuverlaessige CT-Informationen dann, wenn das Schwein über die Wamme zum Gehirn durchleuchtet wird, also auf dem Rücken liegend, in einer 90-Grad Stellung zum Tisch, und anschliessend in Seitenlage. Warum dies?
In 90 % aller untersuchten Fälle beginnt die Versülzung im Bereich der Arachnoidea und überwuchert diese. Die top down-Sicht ist darum von primärer Bedeutung, sie klärt auf über die Ausdehnung der Versülzung. Die Information aus der Seitansicht gibt Aufschluss darüber, wie viel Raum dem Wachstum nach oben, also bis zu Schädeldecke verbleibt. Hieraus bestimmt sich der Druck auf die äusseren Gehirnregionen, und letztendlich - für den Bauern - die Zeit bis
zu unkontrollierbaren Zuständen.Es bleibt zu erklären, warum über die Wamme, und nicht über die Schädeldecke nach unten geröntgt werden muss. Die Antwort liegt auf der Hand: Die Knochenmasse ist dichter als das Kolloidgel der Versülzung. Der Blick durch die Weichteile ergibt ein genaues Szenario, der Blick durch die Schädeldecke zeigt Ihnen nur - die Schädeldecke.



Literaturempfehlung:
Infirmity of Suidaes, Prof. Dr. oink. Gerald Pigson, New Hampshire 1999

 

 

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