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Gummipunkte

Jetzt haben wir sie, die Gummipunkte, die den Tischtennis - Spielbetrieb in Deutschland revolutionieren. Jetzt hat jeder Pingpongole nicht nur einen IQ, sondern auch einen TTR- Wert. Den einen kann ich zwar ignorieren, der andere blinkt mir gnadenlos auf der Stirn, wenn ich die Halle betrete, sofern ein Premium- Mitglied von "mytischtennis.de" unter den Anwesenden weilt. Der kennt nämlich den tagesaktuellen Stand und hat es meist nicht so sehr mit der kommunikativen Kontinenz.

Ein Vorteil: Endlich kann ich mich mit Ernst aus dem fernen Hessen vergleichen, der bei der Kreuzfahrt immer so mit seinen Erfolgen angegeben hat, aber angeblich mit dem Leihschläger nicht zurechtkam. Und dass ich dort gegen die Erna aus der Eifel verloren habe, wundert mich jetzt anhand einer vollemanzipierten Rangliste auch nicht mehr, die für sie 450 Punkte mehr ausweist. Außerdem wird es unmöglich, einen 1654er-Neuzugang ohne Sperrvermerk für die vierte Mannschaft in der dritten Kreisklasse zu melden. Außerdem hatte ich es eh nicht so mit irgendwelchen Click-Komma-Koeffizienten. Kommafreie Punkte hingegen gehören zum Sportbetrieb wie das Amen in die Kirche und im Kontext zu Flensburg, Treue, Payback usw. zum täglichen Konsum.

Ein Nachteil: Die Vorbereitung auf die Wettkämpfe ist total auf den Kopf gestellt. War ich früher im Hinblick auf die Aufhübschung meiner Bilanz im Mannschaftskampf über jeden aufrückenden Ersatzgegner minderer Qualität froh, finde ich das nunmehr ziemlich doof. Gewinne ich, zahlt sich das kaum aus. Verliere ich hingegen (z.B. gegen frisch reanimierte Altcracks oder jugendliche Senkrechtstarter oder die Nerven oder die Lust oder das Gleichgewicht im falschen Moment oder die Besinnung) , kostet das mördermäßig Punkte. Bestenfalls bringt das also nix bis kaum was.

Damit ergibt sich ein weiterer großer Vorteil bezüglich der Erlangung von sozialen Kompetenzen: Jedem zuküftigen Gegner ist nur der größtmögliche Erfolg zu wünschen, weil dieser einem selbst optimale Bedingungen ermöglicht. Je besser der Gegner, desto mehr Punkte kann man gewinnen und desto weniger verlieren.

Cracks sind als Gegner ausgesprochen willkommen. Das Punktabzugsrisiko ist dann minimal, und ab und zu können die ja auch einmal einen schlechten Tag haben. Pro Spiel sind bis zu 16 Punkte (mehr oder weniger) drin. Besondere Be8tung verdienen Gleichstarke. Da gibt es für jeden 8 Punkte. Der eine bekommt sie angerechnet, der andere abgezogen. Das kann für tolle Sprünge in der Rangliste sorgen. Ich habe im Moment 1338 Punkte und liege damit auf Platz 93847. (95481, "echte" TT-Ausländer eingerechnet). Gewä(ö?)nne ich in etwa gegen Nr. 93810 - 93890, rückte ich maximal bis auf 90435 vor. Verlöre ich, ging es ab bis schlimmstenfalls 97268. Da stehen 6833 Plätze auf dem Spiel. Da wird ein Kantenball in der Verlängerung des Entscheidungssatzes doch zur Katastrophe !? Mit der Zeit können die Spiele gegen die üblichen Gegner in der Staffel somit zu einer regelrechten 8erbahnfahrt werden. Andererseits kann eine freundliche Zuwendung im bedeutungslosen letzten Gruppenspiel einer Meisterschaft oder eines offiziellen Einladungsturniers schon einmal 16 Punkte einbringen. Das sorgt vermutlich bald wieder für rege Beteiligungen.

Apropos Einladungsturniere: Da habe ich mich neulich doch gewundert, dass die so ein Kartenlesegerät an der Kasse hatten. Ich dachte schon, man könne die Teilnahmegebühren per Karte bezahlen, wurde aber eines besseren belehrt: Das sei eine Erprobung von neuen Punktanzeigern. Die Turnierleitung sei direkt mit dem Pingpongportal vernetzt. Man stecke seine Mytischtennis- Goldkarte hinein und könne sofort seinen minutenaktuellen Punktestand abrufen. Naja- demnächst wird es ohnehin keine Zählbretter mehr geben, sondern nur noch Notebooks. Und irgendwann braucht man auch nicht mehr durch Winternacht und -nebel zum Mannschaftskampf zu fahren, sondern vernetzt nur noch seine Spielkonsolen.

Zurück zur Gegenwart: Die deutsche Rangliste weist für Timo Boll einen Spitzenwert von 2675 aus. Am Ende sind 482 Punkte für den 288881ten verzeichnet. Ich bin also angeoberte Mittelklasse- also weder ausgekocht noch Sushi. Das hätte ich sooo gar nicht gedacht. Da geb ich doch glatt noch mal Gummi....